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Sturmwarnungen über dem Atlantik

Zollkonflikt zwischen USA und Europa droht zu eskalieren. (Bild: Pixabay)
Zollkonflikt zwischen USA und Europa droht zu eskalieren. (Bild: Pixabay)

Selbst ein komplett ungeordneter Brexit würde keinen Schaden im gleichen Ausmass wie ein eskalierender Zollkrieg zwischen den USA und Europa anrichten, meint Erik Knutzen von Neuberger Berman.

17.04.2019, 16:35 Uhr

Redaktion: stf

Obwohl nicht alle Risiken, die es auf die Titelseiten der Zeitungen schaffen, tatsächlich Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum und die Inflation haben, komme es bisweilen vor, dass ein weltpolitisches Thema die Märkte ernsthaft bedroht, sagt Erik Knutzen, Chief Investment Officer Multi-Asset Class bei Neuberger Berman. Er meint, dass 2018 dies vor allem der eskalierende Handelskonflikt zwischen den USA und China war, der gleichzeitig mit einem Abschwung in China zusammenfiel. Dieser Handelskonflikt scheine sich momentan zu beruhigen. Doch es sei zu befürchten, dass Europa und der riesige global vernetzte Automobilsektor zum nächsten Ziel der Trump'schen Handelspolitik werden könnten.

"Es ist zunehmend davon auszugehen, dass die expansivere Haltung der führenden Notenbanken und die sich abzeichnende Stabilisierung der chinesischen Konjunktur eine weiche Landung in den USA und ein wieder stärkeres Wirtschaftswachstum in anderen Ländern möglich machen können"

Wie Knutzen erläutert, lösten vor zwei Wochen die positiven chinesischen Einkaufsmanagerindexdaten (PMI) einen neuen Aufschwung risikoreicher Titel aus. Die Handels- und Automobilabsatzzahlen von letzter Woche würden zwar für eine noch immer zurückhaltende Binnennachfrage sprechen, doch beim Economic Surprise Index der Citigroup sei China jetzt eines der wenigen Länder mit einem positiven Wert. Und als der Internationale Währungsfonds jüngst seine neuen BIP-Prognosen für 2019 vorlegte, war China die einzige grosse Volkswirtschaft, deren Wachstumsausblick nach oben revidiert wurde, auf 6,3%. Zugleich äusserten sich US-Regierungsvertreter optimistisch bezüglich einer für beide Seiten akzeptablen Vereinbarung zum Aussenhandel und geistigen Eigentum, so der Experte.

USA drohen Europa happige Importzölle an

Hinsichtlich Europa weist Knutzen darauf hin, dass neue Risiken die Kursrallye letzte Woche zum Stillstand brachten. Diesmal seien es aber nicht die üblichen Verdächtigen gewesen, weder der Brexit oder Italien noch die Wahlerfolge der Populisten oder die Nachfolgeregelung für Mario Draghi. Auch nicht Angela Merkel, kein katalanischer Separatismus und keine Gelbwestenproteste in Frankreich.

Vielmehr sei es die vehemente Wiederkehr einer 15 Jahre alten Beschwerde der USA über europäische Airbus-Subventionen gewesen: Die USA zitierten die Welthandelsorganisation mit der Aussage, die Subventionen hätten "negative Auswirkungen auf die USA» gehabt – und drohten Importzölle auf europäische Güter im Wert von 11 Milliarden US-Dollar an, sollten die Subventionen beibehalten werden.

Wenn man nicht gerade mit Käse, Wein oder Skianzügen handle, sei dies eine grosse Sache – abgesehen von Flugzeugen und Motorrädern finden sich auch diese Produkte auf der Liste betroffener Waren. Doch die Europäische Union habe das Thema aufgebauscht, indem sie über Vergeltungszölle sprach, sagt Knutzen. Und das Thema könnte tatsächlich noch weiter eskalieren, wenn sich im sogenannten Section-232-Bericht des US-Handelsministeriums über Automobilimporte ein Hinweis darauf finde, dass europäische Autobauteile ein Sicherheitsrisiko für die USA darstellten. Der Bericht wurde dem Weissen Haus im Februar vorgelegt, aber noch nicht veröffentlicht.

Dies würde Zöllen Tür und Tor öffnen, erklärt Knutzen: Ein 25-prozentiger Zoll auf europäische Autos und Automobilteile hätte sofort weltweite wirtschaftliche Folgen. Die Kosten der Automobilhersteller könnten um acht Prozent steigen – und der damit einhergehende Nachfrageschock könnte das Weltwirtschaftswachstum um bis zu einem halben Prozentpunkt schwächen.

"Selbst ein komplett ungeordneter Brexit würde kaum einen derartigen Schaden anrichten."

Bricht der Sturm nun los?

Knutzen denkt nicht, dass der Sturm jetzt losbricht. Die Experten von Neuberger Berman gehen davon aus, dass die Fortschritte in China letztlich auch anderen Exportnationen wie Deutschland und Italien helfen. Die EU-Minister hätten der Europäischen Kommission gerade grünes Licht für Handelsgespräche mit den USA gegeben. Vielleicht komme es dann auch zu einer verbalen Abrüstung, meint der CIO.

Dennoch sollten seines Erachtens Anleger vor Risiken und Volatilität gewarnt werden. Auf die Frage, welche politischen Risiken die grössten sind, stehe jetzt der Handelskonflikt zwischen der US-Administration und dem europäischen Automobilsektor weit oben. Der Konflikt mit China rücke dafür in den Hintergrund. Als weitere Marktrisiken nennt Knutzen ausserdem schwache Unternehmensgewinne im ersten Quartal, neue enttäuschende Zahlen aus China oder anderen Ländern und die allgemeine Nervosität zum Ende eines Konjunkturzyklus.

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