07.10.2024, 15:22 Uhr
Geht es nach dem deutschen Wirtschaftsminister Robert Habeck, sollen Deutschlands Autobauer den Fokus aufs Autonome Fahren legen. Künftig soll also der Roboter «Guzzi gää» (Gas geben), um Deutschland zum...
Thomas Rutz, Managing Director bei MainFirst, sieht bei Schwellenländern in Lateinamerika das grösste Potential, wie er im Interview mit Fondstrends erklärt.
Herr Rutz, die Entwicklung in den Emerging Markets war im vergangenen Jahr durchaus positiv. Wie sehen Sie den Trend für dieses Jahr?
Wir erwarten, dass das Wachstum in den Schwellenländern auf Kurs bleibt. Das grösste Potential sehen wir aus Bewertungsgründen aktuell in Lateinamerika. Die Operation "Lavo Jato" (Autowäsche) und die Operation "Carne Fraca" (Schlechtes Fleisch) haben jeweils zu einem Skandal in Brasilien und zu starken Verwerfungen geführt. Dies hat für Investoren entsprechend attraktive Einstiegsmöglichkeiten geschaffen, die langfristig gutes Wachstumspotential haben.
In welchen Ländern oder Regionen sehen Sie 2017 besonderes Potential?
Grosses Potential sehen wir in Lateinamerika und Afrika, weshalb wir dort auch im Vergleich zum Referenzindex, dem JP Morgan Corporate Emerging Market Bond Index (JPM CEMBI), insgesamt übergewichtet sind. In Asien sind wir hingegen eher untergewichtet. Besonders China, welches im JPM CEMBI ein Gewicht von über 20 % hat, haben wir aus Bewertungsüberlegungen nur mit 3-4 % im Portfolio, denn die Länderkreditmarge für China handelt aktuell um die 160 Basispunkte während Brasilien im Vergleich derzeit bei 409 Basispunkten steht.
Die "America First" Devise von US-Präsident Donald Trump sorgte für Unsicherheiten bei den Emerging Markets. Inwiefern sind sie von drohenden Handelsbarrieren betroffen?
Mexiko war hier vor allem betroffen, da es stark vom Handel mit den USA abhängt. Wir haben die Verwerfungen nach der Wahl von Präsident Trump aktiv genutzt, um interessante Einzeltitel zu erwerben. So sind zum Beispiel Unternehmen für uns und Investoren generell interessant, die von einem schwachen Mexikanischen Peso (MXN) profitieren, da sie ihre Güter und Dienstleistungen in US Dollar fakturieren. Dies ist z. B. in der Hotelindustrie der Fall, wo die operationellen Kosten zu 60-75 % in MXN anfallen und die Hotelzimmer immer noch in USD bezahlt werden müssen. Für solche und ähnliche Firmen haben sich die Margen sogar verbessert.
Nach dem ersten Treffen zwischen Donald Trump und dem chinesischen Premierminister Xi Jinping scheinen sich die Wogen zwischen den beiden Ländern geglättet zu haben. Wie wirkt sich das auf China und die Asien-Pazifik-Region aus?
Nach den ersten politischen Missverständnissen haben sich die Wogen wieder geglättet. Das Säbelrasseln von Präsident Trump hat nachgelassen und beide Nationen werden abwechselnd ihre Muskeln spielen lassen. Trump muss wissen, dass ein grosser Anteil der US-Staatsanleihen von China und Japan gehalten werden.
China ist die zweitgrösste Wirtschaftsmacht weltweit aber nach wie vor ein Börsenzwerg.
In Bezug auf die Marktkapitalisierung ja. Aber China wird zunehmend an Bedeutung gewinnen. Die Steigerung des Bruttosozialprodukts pro Kopf wird hier mitunter am höchsten sein. Jedoch liegen die umliegenden Länder (wie z. B. Indonesien, Pakistan, Sri Lanka und Vietnam) stärker im Fokus der Investoren. Insgesamt wird Asien als Wachstumsregion für Schwellenländer weiterhin von grosser Bedeutung sein.
Politische Entwicklungen waren in letzter Zeit ziemlich unberechenbar. Wie gravierend sind solche Entscheide für die Schwellenländer?
In politischer Hinsicht sehen wir grössere Probleme in den entwickelten Ländern als in Schwellenländern. Politische Risiken müssen aber genau analysiert werden. Aktuell sehen wir nur die Situation in der Türkei relativ kritisch.
Wie schätzen Sie die Auswirkungen der Zinserhöhungen durch die FED auf die Währungen der Emerging Markets ein?
Die Zinsen werden in langsamen Schritten ansteigen. Wenn der Ausblick für die Inflation aus dem Westen steigt, dann können die Federal Funds noch weiter ansteigen. Wir erwarten insgesamt eine Verflachung der Zinskurve. Die Zinsen für langfristige Anleihen haben schon einiges an Zinserhöhungen eingepreist. Unsere Erwartung für 10 Jahre US-Zinsen liegen bei 2,80 % für Ende 2017. Der Markt hat den Zinsanstieg seit der Trump-Wahl sehr gut absorbiert. Auch ist der USD schwächer als noch vor einigen Jahren, sodass davon ausgegangen werden kann, dass weitere Zinserhöhungen in den Emerging Markets wenig negative Auswirkungen haben werden.
Haben Schwellenländeranlagen in einem konservativen Portfolio überhaupt etwas zu suchen oder sind sie nur für risikofreudige Anleger?
Schwellenländeranlagen gehören in ein breit diversifiziertes Portfolio. Der Anteil am globalen Wirtschaftswachstum (um die Kaufkraftparitäten adjustiert) liegt heute schon bei knapp 60 % der Gesamtweltwirtschaft. Schwellenländer verzeichnen seit Jahren mehr Wachstum als die entwickelten Länder.
Gehen Sie nach einem Top-down- oder Bottom-up-Ansatz vor, um die Chancen in Schwellenländern optimal wahrnehmen zu können?
Wir bei MainFirst verfolgen eine Kombination aus einem Top-down- und Bottom-up-Ansatz, um unser vorrangiges Ziel zu erreichen: das aktive Performancepotential von Kreditspreads zu identifizieren. Im Top-down-Prozess analysieren wir den makroökonomischen Ausblick, politische Risiken und auch Opportunitäten sowie die Bewertung (Valuation). Daraus definieren wir eine grobe Gewichtung für die verschiedenen Regionen und Länder. Der zweite Prozess widmet sich ganz dem Bottom-up-Ansatz bei dem wir mittels einer 5-Stufen-Analyse den relativen Wert (Relative Value) ermitteln. Diesen Prozess nennen wir auch Untersuchung des Kreditspreads oder Decomposition of Credit Spreads. Folgende Parameter werden berücksichtigt: Länder, Sektoren, unternehmensspezifische Risiken, ratingspezifische Risiken und technische Faktoren. Das Ziel ist, Kreditspreads innerhalb von definierten Vergleichsgruppen (Peergroups) zu finden. Vielfach verschmelzen die Bottom-up-Analyse mit dem Top-downProzess. Sprich, es kommt häufig vor, dass Unternehmen die im Bottom-up-Prozess günstig bewertet sind, häufig in den Regionen und Ländern zu finden sind, die beim Top-down-Prozess gute Bewertungen erhalten haben.
Anleihen in Emerging Markets tauchen im heutigen Niedrigzinsumfeld vermehrt auf dem Radar der Investoren auf. Worauf müssen diese heute besonders achten?
Aus unserer Sicht ist eine breite Diversifikation über Regionen, Länder, Sektoren, Ratings und technische Faktoren sehr wichtig. Wir empfehlen Investoren den Kauf von Fonds oder Spezialmandaten, die von Spezialisten gemanagt und täglich genau überwacht werden. Dem Kauf von Einzeltiteln raten wir ab, es muss zwingend risikoadjustiert investiert werden. Investoren sollten einen etwas längeren Investmenthorizont haben, da Kursschwankungen immer möglich sind. Es besteht aber ein sehr gutes Chance-Risiko-Verhältnis auf einen attraktiven Ertrag.