28.11.2024, 11:12 Uhr
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Die Corona-Pandemie hat die Weltwirtschaft weitgehend zum Stillstand gebracht. Während einige Sektoren nur schleppend wieder anlaufen, dürfte sich die Infrastrukturbranche schneller erholen, sagt Alex Araujo von M&G. Damit seien Anlagen in Infrastrukturunternehmen attraktiv.
Langsam befreit sich die Welt sich aus ihrer Abschottung und bereitet sich auf ein Leben nach der Pandemie vor. Dabei ist den Regierungen schmerzlich bewusst, dass die Wirtschaft nach Monaten eingefrorener Geschäftstätigkeit in vielen Sektoren erst wieder angekurbelt werden muss.
Rund um den Globus wurden zu diesem Zweck umfangreiche Konjunkturpakete angekündigt. Viele davon sehen höhere Ausgaben für die Infrastruktur vor. "Diese Dynamik könnte zu einer starken Wertentwicklung der börsenkotierten Infrastruktur als Anlageklasse führen. Im Mittelpunkt dürfte dabei eine grüne Erholung stehen mit Projekten für erneuerbare Energien, sauberen Verkehr, Energieeffizienz sowie regenerative Systeme wie die Kreislaufwirtschaft", sagt Alex Araujo, Fondsmanager des M&G (Lux) Global Listed Infrastructure Fund.
Das Virus belastete im März die Transport- und Energieinfrastruktur besonders hart. Das von der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) ausgelöste Überangebot traf im Lockdown auf einen ungebremsten Absturz der Nachfrage nach Energieprodukten, als der Wasser-, Land- und Luftverkehr zum Erliegen kam.
Die Aktien-Dividenden bestimmter Sektoren wie zum Beispiel der Flughafenindustrie kamen unter Druck, einige setzten ihre Zahlungen ganz aus. Dennoch: "Viele Firmen haben sich verpflichtet, die Ausschüttungen so bald wie möglich wieder aufzunehmen. So bleiben sie langfristig betrachtet durchaus attraktiv", meint Araujo. Er ergänzt: "Verglichen mit dem Gesamtmarkt neigen Infrastrukturunternehmen generell dazu, sich nach einer Krise schnell wieder zu erholen. In den Monaten April und Mai boten sich für aktive Vermögensverwalter ausserdem einige Kaufmöglichkeiten."
In diesen wirtschaftlich unsicheren Zeiten haben sich die Dividendenzahlungen des Versorgungssektors als tragende Säule erwiesen. Viele Versorger punkten nicht nur als defensive Anlage, sondern dienen auch als zuverlässige Einkommensgeneratoren. "Darum kauften wir in diesem Bereich stark dazu und investierten in vier neue Namen: Die Energieunternehmen NextEra Energy Partners in den USA sowie A2A in Italien, dazu in Contour Global aus Grossbritannien und die in Hongkong börsenkotierte China Gas Holdings. Diese Titel hatten wir schon lange auf unserer Einkaufsliste, bis zum jüngsten Marktabschwung waren sie jedoch einfach zu teuer", erklärt Araujo. Eine Kaufentscheidung, die sich lohnte: Seither sind die Kurse dieser Aktien um 30% und mehr gestiegen.
Die Anlageklasse Infrastruktur entwickelt sich rasch und umfasst längst viel mehr als den traditionellen Bereich der wirtschaftlichen Infrastruktur mit ihren Energiepipelines und Versorgungs- oder Transportunternehmen. Deshalb gehören laut dem Experten auch Werte aus der sozialen und aufstrebenden Infrastruktur in ein ausgewogenes Portfolio.
Zur sozialen Infrastruktur zählen Anlagen im Gesundheitswesen und Bildung, wie Krankenhäuser oder Pflegeheime. Die aufstrebende Infrastruktur hingegen umfasst Objekte aus der Kommunikations- und Transaktionsinfrastruktur sowie Unternehmen, die ihre Einkünfte aus Lizenzen generieren. Und gerade dieser sich entwickelnde Teilbereich rückte während der globalen Abschottung ins Rampenlicht, als der Bedarf an digitaler Infrastruktur wie Breitband oder Datenzentren besonders deutlich wurde. "Es geht aber nicht nur darum, besser gegen Krisen gewappnet zu sein – hier handelt es sich um eine langfristige, strukturelle Wachstumschance", so Araujo.
Regierungen auf der ganzen Welt sind dabei, der Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen. Dass sich diese finanzpolitischen Impulse für die börsenkotierte Infrastruktur besonders günstig auswirken könnte, zeigt der Experte an einem Beispiel aus Amerika auf: Die New Jersey Turnpike Authority ist die staatliche Betreiberin einer der am meisten befahrenen Autobahnen der USA. Sie kündigte jüngst eine Mauterhöhung von 36% an, um die anstehenden Strassenausbaupläne in Höhe von 24 Mrd. US-Dollar über die nächsten 15 bis 20 Jahre zu realisieren. "Die Notwendigkeit, mehr Geld für Infrastruktur auszugeben, ist einer der wenigen Bereiche, in dem sich Republikaner und Demokraten einig sind. Es wird interessant sein, zu beobachten, ob es in diesem Wahljahr überall in den USA ähnliche Entwicklungen geben wird", sagt Araujo.
Auch in Europa lohne sich ein Blick auf die fiskalischen Massnahmen der einzelnen Länder: Um die Langlebigkeit und Instandhaltung von Autobahnen angesichts der angespannten Staatsfinanzen zu gewährleisten, denkt beispielsweise die spanische Regierung über deren weitere Privatisierung im Rahmen des Mautstrassenmodells nach. Und in Frankreich wurden für ein Projekt zur Verbesserung des öffentlichen Pariser Verkehrssystems Aufträge an Unternehmen wie den global tätigen Konzessions- und Baukonzern Vinci vergeben.
Europas wirtschaftliches Rettungspaket zeichnet sich durch seine grüne Agenda aus, bei der die Nachhaltigkeit einen besonderen Stellenwert einnimmt. Im Mai schlug die Europäische Kommission ein Paket vor, um der EU bei der Bewältigung der Auswirkungen der Covid-19-Krise zu helfen. Dieser Plan, auch "Next Generation EU" genannt, fördert erneuerbare Energien und sauberen Verkehr sowie die Renovierung und Effizienzsteigerung von Infrastruktur und Gebäuden. So soll eine Wirtschaft unterstützt werden, in der weiterverwertet und recycelt wird, statt immer mehr Müll zu produzieren. Somit dürfte das Thema Nachhaltigkeit über die Krise hinaus langfristig bedeutend bleiben.
Auch die digitale Infrastruktur ist ein Zukunftsthema, denn beispielsweise in Europa steht die schnelle Einführung von 5G-Netzen ganz oben auf der Prioritätenliste. Allein der deutsche Vorschlag zur Wiederbelebung der Wirtschaft sieht 50 Mrd. Euro für Digitalisierung, Innovation und Klimawandel vor.
"Die Schwungkraft, die diese Themen mit sich bringen, wird wahrscheinlich noch viele Jahrzehnte anhalten. Für Investoren in börsenkotierte Infrastruktur schafft das einige interessante Möglichkeiten", meint Araujo abschliessend.