Nachrangige Bankanleihen rufen sich in Erinnerung

Als kündbare Schuldtitel haben AT1-Anleihen ein vergleichsweise geringes und konstantes Zinsrisiko. (Bild: Shutterstock.com/Tendo)
Als kündbare Schuldtitel haben AT1-Anleihen ein vergleichsweise geringes und konstantes Zinsrisiko. (Bild: Shutterstock.com/Tendo)

Die Aussicht auf ein Ende der restriktiven Geldpolitik und nachlassende Energiepreise haben die Anleihenmärkten stimuliert. Trotzdem liegen die Renditen weiterhin über dem langfristigen Durchschnitt. Invesco wirft einen Blick auf die von Banken ausgegebenen nachrangigen Tier-1-Anleihen. Der US-Asset Manager hält sie für unterbewertet und attraktiv.

28.02.2023, 14:59 Uhr

Redaktion: hf

«Selbst nach der jüngsten Rally sind die Renditen von AT1-Anleihen immer noch mehr als doppelt so hoch wie vor einem Jahr», sagt Nima Pouyan, Leiter Institutional & ETF Schweiz & Liechtenstein. Per Mitte Februar rentierten diese Anleihen 8,1%, verglichen mit 3,7% Ende 2021. Pouyan zufolge ist der Renditeanstieg vor allem auf die aggressive Zinsstraffung zurückzuführen, mit der die Zentralbanken versuchen, die Inflation einzudämmen. Aber auch die Spreads haben sich gegenüber dem engen Niveau im Nachgang der Corona-Pandemie ausgeweitet.

AT1-Anleihen, ausgeschrieben Additional Tier 1 Contingent Convertible Bonds genannt, werden von europäischen Finanzinstituten ausgegeben und weisen in der Regel höhere Renditen auf als traditionelle Anleihen und haben eine niedrige Korrelation mit diesen. «Das macht sie zu einem potenziell interessanten Portfolio-Diversifikator», hält der Invesco-Spezialist fest.

Ein Produkt der Finanzkrise

AT1-Anleihen sind das Ergebnis neuer, im Nachgang der globalen Finanzkrise erlassener Vorschriften, die europäische Banken dazu verpflichten, diese Anleihen als Teil ihres aufsichtsrechtlichen Eigenkapitals auszugeben. Als bedingte Pflichtwandelanleihen sind AT1-Anleihen entweder in Gesellschaftsanteile umzuwandeln oder herabzuschreiben, wenn bestimmte Auslöseereignisse (Trigger) eintreten.

Sie sind unbefristete Wertpapiere mit einer Mindestlaufzeit von fünf Jahren. Dies soll dem Emittenten die Flexibilität einräumen, die Call-Option nicht ziehen zu müssen, um keine gekündigten Anleihen durch neue AT1-Anleihen zum aktuellen Marktzinssatz refinanzieren zu müssen. Die Markterwartung ist jedoch, dass die Emittenten ihre Anleihen zum ersten Kündigungstermin kündigen und refinanzieren, sofern sich ihre Bilanz nicht verschlechtert hat. Deshalb werden Merkmale von AT1-Anleihen wie Rendite und Duration bis zum frühestmöglichen Kündigungstermin bepreist (priced-to-call) und nicht auf Grund der Annahme, dass sie ewig laufen (priced-to-perpetuity).

Unter den Anlegern hat der Anstieg der Renditen im vergangenen Jahr die Befürchtung geweckt, dass die Emittenten ihre ausstehenden AT1-Anleihen nicht kündigen würden, um eine unwirtschaftliche Refinanzierung durch Neuemissionen mit höheren Kupons zu vermeiden. «Dies führte zu einer Bepreisung vieler AT1-Papiere auf Yield-to-Perpetuity- und nicht mehr auf Yield-to-Call-Basis und dadurch zu einer Ausweitung der Spreads», erklärt Pouyan.

Emittenten ziehen Call-Option

Um das Vertrauen der Anleger zu wahren und zunehmend kritische Analysen ihrer Bilanzen zu vermeiden, entschieden sich die Emittenten aller Anleihen im iBoxx USD Contingent Convertible Liquid Developed Market AT1 (8% Issuer Cap) Index, die 2022 ihren ersten Kündigungstermin erreichten, dazu, ihre Call-Option zu ziehen. Das Anlegervertrauen in den AT1-Markt ist deshalb wieder gestiegen, als die Anleiherenditen insgesamt ihren Höhepunkt erreichten. Es führte dazu, dass sich die AT1-Spreads ab Oktober 2022 aggressiv verengten.

Nach einer Phase raschen Wachstums, das vor allem durch aufsichtsrechtliche Anforderungen bedingt war, sieht Pouyan jetzt zunehmende Hinweise auf einen höheren Reifegrad dieser Anlageklasse. «Die Liquidität und Markteffizienz haben sich in den vergangenen Jahren verbessert und das Gesamtvolumen der im Umlauf befindlichen AT1-Anleihen dürfte in Zukunft relativ stabil bleiben.»

Kapitalausstattung der Banken deutlich verbessert

Invesco verhehlt nicht, dass der Grund für die zusätzliche Rendite aus AT1-Anleihen die wesentlichen Risiken dieser Anlageklasse sind. «Als nachrangige Schuldinstrumente könnten die Titel in Barmittel oder Aktien umgewandelt werden, wenn die Kapitalausstattung unter eine festgelegte Auslöseschwelle sinkt», erläutert Pouyan. «Das aber bedeutet, dass die höheren Renditen durch die nachrangige Stellung dieser Instrumente in der Kapitalstruktur und nicht durch die Qualität der Emittenten bestimmt werden.» Als kündbare Schuldtitel weisen AT1-Anleihen zudem ein relativ geringes und konstantes Zinsrisiko auf, fügt der Invesco-Experte an.

Beruhigend ist die mittlerweile gute Kapitalausstattung der europäischen Banken. In den zehn Jahren nach der globalen Finanzkrise haben sie ihre Bilanzen verkleinert, die Qualität der gehaltenen Vermögenswerte verbessert und ihr Eigenkapital im Verhältnis zu ihren risikogewichteten Aktiva erhöht. «Die Kapitalausstattung liegt jetzt deutlich über dem Trigger-Wert für das harte Kernkapital. Zusammen mit ihren kumulierten Gewinnrücklagen minimiert das die Risiken im Zusammenhang mit einer möglichen Umwandlung der AT1-Anleihen oder Aussetzung von Kuponzahlungen», betont Pouyan.

Der AT1-Markt funktioniere wie erwartet: Selbst im Nachgang der Corona-Pandemie und im Umfeld der Russland-Ukraine-Krise würden diese Anleihen weiter gekündigt und refinanziert.

Renditen und Spreads sind historisch tief

Die Renditen und Spreads von AT1-Anleihen liegen auf einem historisch attraktiven Niveau. Die Spreads haben sich zwar wieder etwas verengt. «Diese Stabilisierung könnte aber das Vertrauen in diesen Markt weiter stärken, indem sie es unwahrscheinlicher macht, dass die Emittenten ihre Call-Option nicht ziehen», betont der Invesco-Experte.

Gleichzeitig seien die europäischen Banken jetzt in einer stärkeren Position und besser in der Lage, mit einer höheren Marktvolatilität umzugehen. Vor dem Hintergrund der nachlassenden Inflation und des sich abzeichnenden Endes des Zinserhöhungszyklus haben sich die Anleihemärke stabilisiert. «Damit könnte dies ein guter Zeitpunkt für ein Engagement in AT1-Anleihen sein», folgert Pouyan.

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