25.11.2024, 14:10 Uhr
Invesco erwartet für 2025 eine Kombination aus sinkender Inflation, geldpolitischer Lockerung und stärkerem Wachstum. Daraus ergibt sich für Paul Jackson, Global Head of Asset Allocation Research «eine vorerst...
Während der Wirtschaftsmotor der Eurozone weiterhin bestenfalls im niedrigsten Gang läuft und das Deflationsrisiko akuter wird, kehren die USA und Grossbritannien auf einen normaleren Trendpfad zurück, schreibt der Chefökonom von Invesco, John Greenwood, in seinem Wirtschaftsausblick für 2015.
Die Nullzinspolitik der Zentralbanken habe die Kurse von Aktien und anderen Risikoanlagen zwar temporär gestützt. Weil das Geld- und Kreditwachstum jedoch weiter deutlich hinter den Vorkrisenwerten zurückliegt, hätten die Zentralbankmassnahmen bislang nicht ausreichend Wirkung gezeigt, um die Bilanzgesundung im privaten Sektor zu gewährleisten oder eine Wachstumsnormalisierung zu ermöglichen. Vor diesem Hintergrund wird es noch mehrere Jahre dauern, bis der Konjunkturzyklus und die Assetpreise ihren Höchststand erreichen, so Greenwood.
Ein markanter Trend der nächsten ein bis zwei Jahre wird die unterschiedliche Trendrichtung der Geldpolitik zwischen den USA und Grossbritannien auf der einen und Japan und der Eurozone auf der anderen Seite sein. Während die US-Notenbank und die Bank of England die Zinsen ab dem zweiten Halbjahr 2015 voraussichtlich anheben werden, dürften die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bank of Japan ihre Assetkäufe fortsetzen und die Zinsen bei nahe null halten. Allerdings sollten auch die Zinsschritte differenziert betrachtet werden, da die Volkswirtschaften zu einer normalen und restriktiveren Geldpolitik zurückkehren. Sollten die Geschäftsbanken den Kredithahn schneller wieder öffnen, werden steigende Zinsen nicht restriktiv wirken, argumentiert Greenwood.
In der Eurozone sieht der Chefökonom von Invesco keine geldpolitischen, fiskalischen oder strukturellen Signale für einen echten konjunkturellen Aufschwung und rechnet daher mit einer anhaltenden Wachstumsschwäche. Insbesondere Spanien und Irland hätten zwar nennenswerte Fortschritte bei der Bilanzreparatur gemacht. Diesen Verbesserungen stünde aber der bislang ausbleibende Schuldenabbau in Frankreich und Italien entgegen. In Abwesenheit einer höheren Nachfrage aus dem Ausland hat zudem die jüngste Euroschwäche die Exportaktivität in der Eurozone noch nicht massgeblich ankurbeln können.
Vor diesem Hintergrund meint Greenwood, dass die EZB eine Deflation nur durch die Förderung einer anhaltenden Euro-Abwertung und/oder eines deutlich stärkeren Geld- und Kreditwachstums abwenden können wird. Er geht davon aus, dass die Gesamtjahresrate der Inflation in der Eurozone im Jahresverlauf 2015 in den negativen Bereich rutschen wird, falls es in der Zwischenzeit nicht zu einem drastischen Wertverfall des Euro kommt. Auch die EZB-Prognose einer leichten Wachstumsbeschleunigung in den Jahren 2015 und 2016 sieht Greenwood skeptisch: Diese Erwartung gründet auf der Annahme, dass es nicht zu einer erneuten Krise im Finanzsystem kommt, und lässt das Risiko eines realen Schocks, zum Beispiel durch eine Einstellung der Energielieferungen aus Russland, völlig außer Acht, sagt er.
Wie Greenwood betont, ist die aktuelle Erholung in den USA zu einem großen Teil der ausgedehnten geldpolitischen Unterstützung durch die Fed in den letzten fünf Jahren zu verdanken. Nachdem die Bilanzreparatur der privaten Haushalte und des Finanzsektors inzwischen fast abgeschlossen ist, kehrt das BIP-Wachstum in den USA wieder auf den historischen Trendpfad von 3,0% bis 3,5% zurück. Die Geschäftsbanken scheinen jetzt gewillt und in der Lage zu sein, die Kreditversorgung auch ohne Unterstützung der Fed weiter auszuweiten, sagt Greenwood. Ein dynamisches Wachstum der Bankkredite, positive Arbeitsmarktindikatoren und bessere Produktions- und Investitionsdaten summieren sich zu einer selbsttragenden Erholung, die nicht mehr auf die Anleihekäufe der Fed angewiesen ist. Allerdings rechnet Greenwood bis auf weiteres nicht mit einer starken Beschleunigung der Wachstumsdynamik und prognostiziert für 2015 ein reales BIP-Wachstum von 3,1%.
Grossbritannien folgt dem Vorbild der USA mit dem Unterschied, dass die Bilanzgesundung insbesondere im Finanzsektor noch deutlich weniger weit fortgeschritten ist. Die Stärke der Investitionsausgaben zeigt zwar, dass der aktuelle Aufschwung mehr ist als nur eine konsumgetriebene Erholung. Der Chefökonom von Invesco sieht aber wenig Spielraum für eine weitere deutliche Wachstumsbeschleunigung. Für 2015 stellt er der britischen Wirtschaft ein reales BIP-Wachstum von 2,8% in Aussicht.
In Japan hat das Abenomics-Programm in Kombination mit den quantitativen und qualitativen Lockerungsmassnahmen der Bank of Japan bislang keine Ausweitung der Bankbilanzen anstoßen können. Zugleich hat die Konsumsteuererhöhung im April die privaten Konsumausgaben massiv einbrechen lassen. Die Verschlechterung der Handels- und Leistungsbilanzen bremst das Wachstum ebenfalls. In der Folge rechnet Greenwood 2015 in Japan lediglich mit einem realen BIP-Wachstum von 0,8%. Bis das Abenomics-Programm mit seinen geldpolitischen Stimulusmaßnahmen, der Stärkung der Staatsausgaben und einer Reihe von Strukturreformen deutlich mehr Wirkung zeigt, hält der Invesco-Chefvolkswirt eine wirkliche Erholung der japanischen Wirtschaft für unwahrscheinlich.
Chinas Hauptprobleme dagegen sind die exzessive Anhäufung von Schulden im Inland und die dadurch erzwungene Beschränkung des Kreditwachstums sowie das schwache Wachstum der Weltwirtschaft, das die chinesische Exportwirtschaft belastet. Mit der fortschreitenden Verlagerung von einem investitions- und exportgetriebenen zu einem stärker konsumorientierten Wirtschaftsmodell wird das Wachstum 2015 voraussichtlich weiter an Fahrt verlieren. Für 2015 rechnet Greenwood mit einem Rückgang des offiziellen realen BIP-Wachstums auf 6,5%. Auch in anderen aufstrebenden Märkten hält die Wachstumsschwäche an. Insbesondere in den größeren Schwellenländern Brasilien, Indien und Russland hat die Dynamik vor allem in der Exportwirtschaft deutlich nachgegeben. Die meisten Emerging-Market-Volkswirtschaften warten auf positive Wachstumsimpulse für ihr Exportgeschäft durch eine Erholung in den USA und der Eurozone. Diese Erwartungen dürften aber enttäuscht werden, so Greenwood.