12.12.2024, 08:22 Uhr
Die Finanzmarktaufsicht Finma schliesst ein Verfahren gegen den Derivate-Spezialisten Leonteq im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Produkten ab. Sie spricht von einem schweren Verstoss und zieht Gewinne von mehr als 9...
Transparenz und Information beim Abschluss von Lebensversicherungen seien oft ungenügend, stellt die Finanzmarktaufsicht fest. Versicherer müssten interessierten Kundinnen und Kunden realistischere Entscheidungsgrundlagen zur Verfügung stellen. Sie werde die Aufsicht entsprechend verstärken, erklärt die Finma.
Das Gesetz schreibt vor, dass Personen, die vor dem Abschluss einer Lebensversicherung stehen, darüber informiert werden müssen, welche Leistungen bei welcher Kapitalmarktentwicklung erwarten werden können. Den Versicherten müssen drei Szenarien vorgelegt werden: ein ungünstiges, ein mittleres und ein günstiges.
So können Kundinnen und Kunden die Risiken und mögliche zukünftige Renditen unterschiedlicher Lebensversicherungsprodukte abschätzen. «Die Beispielrechnungen sind somit Schlüsselinformationen für den Kaufentscheid», wie die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) schreibt.
Jetzt aber stellt sie nach einer Analyse von über 85'000 Lebensversicherungs-Abschlüssen im Zeitraum von Januar 2020 bis März 2021 fest, dass die Transparenz häufig ungenügend ist.
Über 90 Prozent der untersuchten Beispielrechnungen würden – «teilweise weit» (O-Ton der Finma) – zu optimistische Renditeentwicklungen ausweisen, moniert sie. Das gelte besonders für das ungünstige Szenario. Versicherungsunternehmen hätten hier sogar Werte aufgeführt, die weit über der risikofreien Rendite lagen. «In einigen Fällen betrugen die jährlichen Renditeannahmen für einen schlechten Verlauf 3,5 Prozent, wobei im Untersuchungszeitraum die risikofreien Renditen auch für längerfristige zehnjährige Anlagen negativ waren», so die Finma.
Solche Beispielrechnungen könnten unrealistische Erwartungen wecken, sowohl, was die Sicherheit der Anlage als auch das Gewinnpotenzial bei Ablauf der Lebensversicherungspolice betrifft. Geschmälert würden die Renditen zudem auch von oft hohen Verwaltungs- und Abschlusskosten, die bei den Lebensversicherungsprodukten anfallen.
Die Untersuchung illustriert weiter, dass rund acht Prozent der Kundinnen und Kunden, die zwischen 2010 und 2011 anteilgebundene Versicherungen ohne Garantie mit einer Laufzeit von zehn bis elf Jahren abschlossen, mit ihren Sparanteilen der Prämien weniger als die risikofreie Rendite erwirtschaftet haben.
Dies zeige, dass die Versicherten auch bei einer positiven Finanzmarktentwicklung mit Anlageergebnissen unter der risikofreien Rendite rechnen müssten, schreibt die Finma. Konkrete Beschwerden über Rückkaufs- und Ablaufleistungen bei anteilgebundenen Versicherungen dokumentierten, dass Versicherte in der Realität mit ihren Anlagen sogar Verluste bis zu 50% der eingezahlten Beiträge erleiden könnten.
Wichtig ist der Aufsichtsbehörde auch, darauf hinzuweisen, dass zwischen einer Lebensversicherungspolice mit fondsgebundener Anlage und einer Anlage in einem Fonds ohne Lebensversicherung wichtige Unterschiede bestehen: Bei einer Lebensversicherung sind die Versicherten an einen fixen Ablaufzeitpunkt der Police gebunden. Sie können die Police daher nur mit zusätzlichen Kosten frühzeitig kündigen. Ausserdem kann bei Lebensversicherungen die Police nur mit einem neuen Vertragsabschluss verlängert werden.
Beides ist mit erheblichen Kosten verbunden, ruft die Finma in Erinnerung. Es sei daher entscheidend, wie das Marktumfeld bei Ablauf der Lebensversicherung sei. Fällt der Ablaufzeitpunkt in eine Zeit, in der sich die Märkte negativ entwickeln, könnten Renditen aus guten Vorjahren zunichte gemacht werden.
Der Gesetzgeber will mit der Revision des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) und der Aufsichtsverordnung (AVO) den Versicherungsstandort Schweiz und besonders auch den Kundenschutz stärken. Die revidierten Bestimmungen werden am 1. Januar 2024 mit Übergangsfristen in Kraft treten. Sie beinhalten auch Vorgaben zu den Beispielrechnungen. So ist auf Verordnungsstufe explizit vorgesehen, dass beim Abschluss einer Lebensversicherung transparent und verständlich auf die Risiken und Gewinnchancen aufmerksam zu machen ist.
Wie Birgit Rutishauser, Leiterin Geschäftsbereich Versicherungen der Finma, erklärt, habe der Gesetzgeber mit der Revision von VAG und AVO «ein klares Zeichen im Sinne eines kundenschutzbasierten Regulierungs- und Aufsichtsansatzes gesetzt.» Die Transparenz- und Informationspflichten sind ein wichtiger Teil davon.
Versicherte treffen beim Abschluss einer Lebensversicherung «einen weitreichenden Entscheid, der ihre Vorsorge im Alter massgebend beeinflussen kann. Daher ist es wichtig und richtig, dass sie diesen Entscheid informiert und basierend auf transparenten Grundlagen – auch über einen ungünstigen Verlauf der Anlage – treffen können", betont Rutishauser. Dies gelte es für die Versicherer nun sicher zu stellen.
Die Finma fordert von den Lebensversicherern deshalb schriftlich erneut rasche Anpassungen. Sie wolle den zukünftigen Umgang mit Beispielrechnungen überprüfen und dabei besonders darauf achten, ob die Versicherer das negative Szenario für ihre zukünftigen Kundinnen und Kunden ausreichend transparent machen würden, hält die Aufsichtsbehörde fest.