19.09.2024, 08:35 Uhr
Die Banken in der Schweiz rechnen in den kommenden Jahren wieder mit einer schrumpfenden Zinsmargen. Fundamentale Umwälzungen in ihrer Branche sehen die Institute mittelfristig aber nicht auf sich zukommen, wie der...
Die Zahl der Börsengänge (Initial Public Opening, IPO) ist dieses Jahr weltweit um 45% auf 1333 Unternehmen gesunken. Das Emissionsvolumen schrumpfte sogar um 61% auf 180 Mrd. US-Dollar. Am geringsten war der Rückgang in China inkl. Hongkong mit -22%, wie das IPO-Barometer des Prüf- und Beratungskonzerns EY zeigt. Auch die SIX profitiert von China.
Immerhin, weiss EY auch Tröstliches: Im Vergleich zum vor-Pandemie-Jahr 2019 stieg die Zahl der Börsengänge in diesem Jahr um 16%. Aber das ernüchternde Bild bleibt bestehen. Das zu Ende gehende Jahr war von hoher Volatilität und über weite Strecken deutlich tieferen Kursen geprägt, ausgelöst von geopolitischen Spannungen, einer hohen Inflation und starken Zinserhöhungen.
Auch das Jahresende brachte keine Trendwende. Es war im Gegenteil sowohl nach Anzahl als auch nach Emissionsvolumen das schwächste Schlussquartal seit mehr als zehn Jahren, wie Tobias Meyer, Leiter Transaction Accounting und IPO Services von EY Schweiz, berichtet.
Weltweit gingen im Schlussquartal 334 Unternehmen an die Börse – 50% weniger als im vierten Quartal des Rekordjahres 2021. Das Emissionsvolumen sank um 73% auf 31,9 Mrd. US-Dollar.
In der Schweiz ist im vierten Quartal Acceleron Industries als Spinoff von ABB mit einer Marktkapitalisierung 1710 Mio. Fr. an die Börse gelangt. Mit Sunwoda Electronic und Hangzhou Great Star Industrial verzeichnete die Six Swiss Exchange zudem zwei Kotierungen von Global Depository Receipts (GDR) im Volumen von 550 Mio. Fr. Gesamthaft konnte die Six n diesem Jahr 13 Zugänge mit einem Wert von über 3,8 Mrd. Fr. vermelden.
Übers Jahr betrachtet, sticht für die Schweiz das dritte Quartal mit sechs Listings hervor. Im ersten und zweiten Vierteljahr waren es jeweils zwei Zugänge. Die neuen Börsenteilnehmer sind nach Branchen breit verteilt und stammen aus den Sektoren Energie, Werkstoffe, Gesundheitswesen, Immobilien, Industrie und Konsumgüter.
"Im europäischen Vergleich schneidet die Schweiz gemessen an ihrer Grösse sowie unter Berücksichtigung der Umstände gut ab und bleibt bei Anzahl und Wert der Börsengänge stabil", kommentiert EY-Experte Meyer. "2022 gingen insbesondere aufgrund der Listings von GDR chinesischer Unternehmen sogar deutlich mehr Firmen an die Börse als 2021."
Tatsächlich war die IPO-Aktivität massgeblich durch die erstmals mögliche Kotierung von Anteilsscheinen (GDR) chinesischer Unternehmen geprägt. Im Gesamtjahr machten acht Gesellschaften davon Gebrauch, zwei wie erwähnt im Schlussvierteljahr.
An der Deutschen Börse wurden 2022 zwei Börsengänge vollzogen, die ein relativ hohes Volumen erreichten. Im Zentrum stand der Börsengang von Porsche, der mit einem Volumen von 9,1 Mrd. weltweit der zweitgrösste war. Nummer eins ist das Börsendebüt des südkoreanischen Batterieherstellers LG Energy Solution im Januar mit einem Erlös von 10,7 Mrd. US-Dollar. Drittgrösstes IPO war die Erstnotiz von China Mobile, das – ebenfalls im Januar – 8,2 Mrd. US-Dollar einbrachte.
Die stärkste Einbusse betrifft die USA mit einem IPO-Rückgang um 78% übers Jahr gerechnet; das Emissionsvolumen brach um 94% ein. In Europa gingen die Börsengänge um 70% und das Volumen um knapp 80% zurück. Stabiler war die Entwicklung in China (einschliesslich Hongkong), wo Zahl und der Gesamtwert um je um 22% schrumpften. Der Marktanteil Chinas am weltweiten IPO-Emissionsvolumen stieg entsprechend von 28% im Vorjahr auf 55% 2022.
Weltweit haben sich 278 Unternehmen dazu entschlossen, bereits angekündigte Börsengänge zu verschieben oder abzusagen – deutlich mehr als im Zehnjahres-Durchschnitt, der bei 202 liegt.
Namentlich Finanzinvestoren haben – den Bärenmarkt mit sinkenden Chancen auf den angepeilten Emissionserlös vor Augen – ihre Exit-Aktivitäten erheblich reduziert. Die Anzahl Börsengänge von Unternehmen aus den Portfolios von Private-Equity-Fonds fiel auf 65, so wenig wie seit zwanzig Jahren nicht mehr, wie EY festhält. 2021 noch 286 Transaktionen erfolgt.
Fürs kommende Jahr ist Tobias Meyer von EY vorsichtig optimistisch. Die IPO-Pipeline habe sich dieses Jahr weiter aufgebaut. "Viele Unternehmen warten auf den richtigen Zeitpunkt, um mit guter Vorbereitung den Börsengang zu vollziehen", sagt er. Angesichts der knapper werdenden Marktliquidität seien Anlegerinnen und Anleger jedoch selektiver und bevorzugten Unternehmen mit nachhaltigen Geschäftsmodellen, "die in Bezug auf Profitabilität gute Zahlen vorweisen können und gleichzeitig ihre ESG-Agenda klar formulieren."
Wenn sich die allgemeine Erwartung bestätige, dass sich der Zinsanstieg im Laufe des Jahres verlangsamen oder zu Ende gehen wird, könnten die weltweiten IPO-Aktivitäten insbesondere in der zweiten Hälfte 2023 wieder an Fahrt gewinnen.