31.10.2024, 09:52 Uhr
Wie jedes Jahr kurz vor Halloween zeigt das M&G-Anleihenteam fünf Grafiken, welche die beunruhigende Trends an den globalen Märkten aufzeigen. Dabei geht es unter anderem um Autokäufe, Spreads und Staatsschulden.
Die Zinserwartungen schwanken gerade stark. «Entscheidend ist aber, dass fast alle das Leitzinsmaximum für erreicht halten und jetzt mit einer Senkung rechnen», schreiben Ashok Bhatia und Brad Tank, beide Co-Chief Investment Officer – Fixed Income bei Neuberger Berman.
Staatsanleihen mit der höchsten Kreditqualität werden «risikolos» bezeichnet, auch wenn sie manchmal heftig schwanken und auf wirtschaftliche Entwicklungen reagieren. Risikolos heissen sie, weil man fast mit Sicherheit alle sechs Monate den gleichen Coupon bekommt und sich bei Endfälligkeit auch auf die Rückzahlung verlassen kann.
«Wir meinen, dass sich Anleiheninvestoren jetzt vor allem auf das künftige Zinsniveau konzentrieren sollten und nicht darauf, was bis dahin geschieht. Nicht der Weg ist entscheidend, sondern das Ziel», schreiben die Autoren. Dafür gebe es zwei Gründe.
Erstens liessen sich dann bei einer inversen, sich aber allmählich normalisierenden Zinsstrukturkurve Bewertungschancen leichter erkennen. Zweitens fördere es eine strategische Perspektive zu Beginn eines Jahres mit möglicherweise stark schwankenden Zinserwartungen.
In den USA bieten Geldmarktanlagen zurzeit fast 5,5 Prozent Rendite, während die Zweijahresrendite nur 4,3 Prozent und die Fünfjahresrendite nur 3,9 Prozent beträgt. In Europa sind manche Zinsstrukturkurven noch inverser.
Sollte man daher auf Zinsrisiken verzichten und weiter am Geldmarkt investieren? «Nicht, wenn man statt der Renditeschwankungen das langfristige Zinsniveau im Blick hat. Ende 2025 wird man für Zweijahresanleihen vermutlich noch immer etwa 4 Prozent laufenden Ertrag bekommen. Bleibt man aber am Geldmarkt investiert, verdient man den Terminmärkten zufolge dann nur noch 3,4 Prozent», heisst es bei Neuberger Berman.
Wenn die Leitzinssenkungen abgeschlossen sind, werde sich der Geldmarktsatz nur noch wenig von der heutigen Zweijahresrendite unterscheiden. Bei fallenden Kurzfristzinsen erziele man mit der Zweijahresanleihe aber Kursgewinne, zusätzlich zu den Coupons.
Der Geldmarktzins möge heute zwar deutlich über der Anleihenrendite liegen, doch werde der annualisierte Gesamtertrag einer Zweijahresanleihe, die man bis zur Endfälligkeit hält, wohl deutlich höher sein als der annualisierte Geldmarktertrag – nämlich um fast 1 Prozentpunkt.
Fast alles spreche also dafür, dass die Kurzfristzinsen ihren Höhepunkt erreicht haben und 2024 und 2025 irgendwann zu fallen beginnen. Seit der Dezembersitzung des Offenmarktausschusses sind die Zinserwartungen volatil.
«Zunächst reagierten die Anleger auf die in Aussicht gestellte Lockerung der Geldpolitik, doch in den letzten Tagen schienen immer mehr Ausschussmitglieder zurückzurudern. Ausserdem sind die US-Konjunkturdaten noch immer sehr stark; man denke nur an die überraschend hohen Inflationszahlen vom Donnerstag. Dennoch erwartet der Markt noch immer schnellere Zinssenkungen als die Fed selbst. Er rechnet mit einer Leitzinssenkung im März und erwartet 2024 fast doppelt so viele Zinssenkungen, wie die Notenbank in ihrem Dot Plot in Aussicht stellt», schreiben die Experten.
Dieses Ungleichgewicht könnte zu anhaltender Volatilität führen. Hinzu komme, dass die Fed die Zinsen wohl schon vor einer Rückkehr der Inflation auf 2 Prozent erstmals senken werde. Wie deuten die Anleger das? Vor drei Jahren hat die Fed ihr Inflationsziel geändert: Das bisherige Punktziel wurde durch den langfristigen Durchschnitt ersetzt, um frühzeitige Zinssenkungen zu rechtfertigen. Dem steht aber das strukturelle Ziel «normalerer», das heisst leicht positiver Realzinsen gegenüber, wie sie vor der internationalen Finanzkrise üblich waren. Das spreche wiederum gegen frühe Senkungen.
Wenn man noch berücksichtigte, wie sehr die Geldpolitik zurzeit auf die Konjunkturdaten reagiere, seien kräftige Schwankungen der Zinserwartungen in diesem Jahr alles andere als unwahrscheinlich.
«Auch hier ermutigen wir Investoren, statt auf den Weg auf das Ziel der Geldpolitik zu achten», so das Fazit.
Zu frühzeitigen Zinssenkungen äussert sich die Fed zurzeit ebenso vorsichtig wie zum möglichen Leitzins in einem Jahr. Aber alle Offenmarktausschussmitglieder sind sich einig, dass die Straffung der beiden letzten Jahre das gewünschte Ergebnis brachte. Die Fed erwartet für 2024 weniger Wachstum und Inflation – genauso wie die meisten unabhängigen Volkswirte.
Die Ausschussmitglieder mögen nicht mit sechs Zinssenkungen in diesem Jahr rechnen, wohl aber mit drei. «Wenn sich Anleiheninvestoren dies bewusst machen, können sie leichter mit der erwarteten Zinsvolatilität umgehen – vor allem bei Titeln mit bis zu fünf Jahren Laufzeit», raten die Autoren.
Vor einem Jahr war eine unterdurchschnittliche Duration sinnvoll, die man bei zeitweise zu pessimistischen Inflationserwartungen vorübergehend verlängerte. «Heute scheint uns eine überdurchschnittliche Duration angemessener – und eine vorübergehende taktische Verkürzung, wenn der Markt mit zu vielen Zinssenkungen rechnet oder die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen zu positiv einschätzt. Wir meinen, dass das im Dezember der Fall war.»
Investoren, die auf den Endpunkt der Zinsentwicklung achten statt auf den Weg dorthin, können ihren strategischen Kurs- und Renditezielen treu bleiben und bei Bedarf taktische Anpassungen vornehmen. Schwankende Zinserwartungen werden dann vielleicht sogar zu einer Ertragsquelle, statt einfach nur störender Noise zu sein.