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«Inflation und Konjunktur rechtfertigen die hohen Zinsen nicht mehr»

Benno Demont, Leiter Investment Management und Fondsmanager bei der Graubündner Kantonalbank (Foto pd).
Benno Demont, Leiter Investment Management und Fondsmanager bei der Graubündner Kantonalbank (Foto pd).

Im Jahresverlauf dürften die Zinsen nochmals sinken, was die Preise von Obligationen nach oben treibt. Dabei werden die kurzen Zinsen aber stärker fallen als die langen, was typisch ist für eine Zinssenkungsphase, sagt Benno Demont von der Graubündner Kantonalbank im Interview mit investrends.

29.12.2023, 14:39 Uhr
Anlagestrategie | Interviews | Obligationen

Redaktion: cwe

Herr Demont, Sie sind mit Ihrem Team verantwortlich für den GKB (CH) Obligationen CHF ESG. Vor einem Jahr hatte ich Sie nach Ihrem Schlaf gefragt, angesichts der hohen Verluste bei Obligationen. Schlafen Sie nun wieder besser?

Benno Demont: Ich schlafe heute genauso gut wie vor einem Jahr, auch wenn ich zugeben muss, dass 2022 ein "annus horribilis" für den Schweizer Obligationenmarkt war. Der schnellste Zinsanstieg in der Geschichte hatte im vergangenen Jahr zu hohen Buchverlusten bei Obligationen geführt.

Wie gehen Sie als Profi mit solchen Situationen um?

Ich vergleiche dies gerne mit einem dunklen Tunnel, in den man reinfährt. Aber meine Erfahrung sagt mir: Irgendwann kommt auch wieder das Licht am Ende des Tunnels.

Können Sie das erklären?

Man läuft Gefahr, sich von kurzfristigen Entwicklungen leiten zu lassen und den langfristigen Blick aus den Augen zu verlieren. Aber wie gesagt, das Licht am Ende des Tunnels kommt bestimmt. Trotzdem ist es wichtig, das Portfolio der Marktsituation und den Erwartungen entsprechend anzupassen. Denn die Finanzmärkte bewegen sich oft wellenartig. Wichtig – auch für den eigenen Schlaf – ist zu verstehen, dass wir das Auf und Ab dieser Wellen nicht beeinflussen können, aber wir können lernen auf der Welle zu surfen.

Welche Massnahmen haben Sie in den vergangenen zwei Jahren denn konkret getroffen?

Wir sind ins Jahr 2022 mit einer Duration gestartet, welche rund 1.5 Jahre tiefer war als der Gesamtmarkt. Dadurch konnten wir die Verluste aufgrund des Zinsanstieges etwas mindern. Zum Jahresende hin sahen wir dann eine vergleichsweise steile Zinsstrukturkurve in der Schweiz, was uns etwas überraschte. Die Wahrscheinlichkeit, dass die langen Zinsen nochmals kräftig steigen würden, erachteten wir damals als gering. Daher haben wir die Duration im Portfolio ab Ende 2022 erhöht.

Vor einem Jahr hielten Sie ein Plädoyer für Schweizer Obligationen und zeichneten das Bild des "Phönix aus der Asche". Wie sieht Ihre Bilanz aus?

Der Schweizer Obligationenmarkt konnte im laufenden Jahr über 7 Prozent zulegen (per 22.12.). Damit gehört er zu den besten Obligationenmärkten weltweit.

Aber die Zinsen sind ja weiter gestiegen, was sich negativ auf die Preise von Obligationen niederschlagen sollte. Was ist der Grund für die positive Entwicklung?

Sie haben recht, was die Entwicklung des Leitzinses betrifft. Dieser wurde in der Tat von der Schweizerischen Nationalbank weitere dreimal erhöht. Wichtiger ist aber die Entwicklung der langen Zinsen, also beispielsweise des 10-jährigen Zinssatzes. Dieser ist sogar gesunken, insbesondere seit Anfang Oktober, was sich entsprechend positiv auf die Preise von Obligationen mit langer Laufzeit ausgewirkt hat.

Also ein Nullsummenspiel?

Mitnichten. Denn die Preise von Obligationen mit einer langen Laufzeit sind aufgrund der höheren Duration stärker gestiegen, als die Preise von Obligationen mit kurzer Laufzeit gesunken sind. Lange Obligationen reagieren viel sensitiver auf Zinsänderungen. Daher sehen wir diese erfreuliche Entwicklung.

Zu den Notenbanken: Ich kann mich erinnern, dass Sie vor einem Jahr – entgegen der Marktmeinung – nicht mit Zinssenkungen der wichtigsten Notenbanken im Jahr 2023 rechneten. Sie hatten recht!

Ja, 1:0 für unser Team (lacht). Auf der anderen Seite muss man aber festhalten, dass der Markt aktuell gleich mehrere Leitzinssenkungen im 2024 erwartet. Dies lässt sich aus der stark inversen Zinsstrukturkurve ablesen. Die Situation, dass die langen Zinsen tiefer sind als die Leitzinsen sehen wir in allen grösseren Währungsräumen.

Der Markt erwartet also sinkende Leitzinsen im Jahr 2024. Wie beurteilen Sie die Situation?

In den nächsten Quartalen werden wir eine weitere Entspannung bei der Inflation sehen, auch bei der Kerninflation. Die Zahlen werden also wieder in den Bereich der Notenbankziele sinken. Die Notenbanken ihrerseits werden 2024 neben der Preisstabilität wieder verstärkt die Konjunkturentwicklung im Auge behalten.

Das heisst?

Die Konjunktur wird sich abschwächen, auch weil der Realzins sich in der Zwischenzeit auf einem ungesunden – zu hohen – Niveau befindet. Inflations- und Konjunkturausblick rechtfertigen unserer Ansicht nach die hohen Zinsen nicht mehr. Insofern rechnen wir mit sinkenden Leitzinsen. Dabei wir das FED erneut den ersten Schritt machen.

Also weiterhin positive Aussichten für Obligationen?

Auf alle Fälle. Wir erwarten im Jahresverlauf nochmals tiefere Zinsen, was die Preise von Obligationen nach oben treibt. Dabei werden die kurzen Zinsen aber stärker fallen als die langen, was typisch ist für eine Zinssenkungsphase.

Demnach präferieren Sie Obligationen mit kurzer Laufzeit, da Sie dann am stärksten von den sinkenden Zinsen profitieren werden?

Obligationen mit kurzen Laufzeiten bieten aufgrund der inversen Zinsstrukturkurve eine höhere Rendite auf Verfall. Das macht sie interessant für Anlegerinnen und Anleger. Wegen der tieferen Duration ist der positive Preiseffekt bei sinkenden Zinsen aber geringer als bei langen Obligationen. Daher liegt die richtige Positionierung auf der Zinskurve – also "kurz", "mittel" oder "lang" – nicht gleich auf der Hand.

Was ist also Ihre Empfehlung?

Wir haben eine klare Meinung, was die Aussichten für Obligationen angeht: nämlich positiv. Auf der Zinskurve nehmen wir aber derzeit nicht allzu grosse "Wetten" gegenüber unserem Vergleichsindex. Eine ausgewogene Fälligkeitsstruktur erachten wir aktuell als erfolgsversprechend. Es gibt Phasen, in denen man sich nicht gegen den Markt stemmen sollte und die Marktrendite mitnehmen möchte. Aktuell haben wir solch eine Phase.

Und muten Sie sich auch eine Aussage zu den Aktien zu?

Ich kenne den Ausblick meiner Kolleginnen und Kollegen auf der Aktienseite. Und auch diese beziehen erfreulicherweise die künftige Zinsentwicklung in ihre Szenarien ein. Demnach würden sinkende Zinsen auch für den Aktienmarkt Rückenwind bedeuten und die aktuell hohen Bewertungsniveaus, insbesondere für US-Aktien, relativieren.

Was sind Ihre Favoriten in einem solchen Umfeld?

Tech-Aktien bleiben interessant. Etwas mutiger, aber nicht minder interessant, ist der "Call" für Small- und Mid Caps und ausgewählte Schwellenländer. Auf der defensiven Seite dürften in einem solchen Umfeld beispielsweise Versorger oder Telekomunternehmen profitieren.

Im Gespräch klären Philipp Liesch, Leiter Private Banking, und Jon Fadri Pitsch, Leiter Institutionelle Kunden, welche Gemeinsamkeiten ihre Bereiche aufweisen.

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