Ist der Zug für festverzinsliche Anlagen schon abgefahren?

Fixed-Income-Spezialistin Ritu Vohora empfiehlt Schwellenländer-Anleihen. Manche Emerging Markets sind im Zinszyklus voraus. (Bild: PD)
Fixed-Income-Spezialistin Ritu Vohora empfiehlt Schwellenländer-Anleihen. Manche Emerging Markets sind im Zinszyklus voraus. (Bild: PD)

Sieht man von Indien und Indonesien ab, die der Asset Manager T. Rowe Price als Lichtblicke bezeichnet, stehen Anleihen mit längeren Laufzeiten weiter unter Druck. Ist der Zug abgefahren oder noch gar nicht angerollt? Ein Kommentar von Ritu Vohora, Kapitalmarktspezialistin des US-Vermögensverwalters.

26.10.2023, 15:46 Uhr
Obligationen

Redaktion: hf

Nach einem Jahrzehnt extrem lockerer monetärer Bedingungen, der die Renditen gedrückt und die Wirksamkeit von Anleihen zur Diversifizierung von Portfolios verringert hat, scheinen die Argumente für festverzinsliche Anlagen wasserdicht zu sein. Steigende Zinssätze haben die Erträgein die Höhe getrieben und die Renditen vieler Sektoren sind auf Mehrjahreshoch.

Schuldtitel unterhalb der Investment-Grade-Kategorie sind für Anlegende eine gute Möglichkeit, sich eine attraktive Rendite zu sichern, da die Renditen für globale und europäische hochverzinsliche Anleihen nahe den Höchsts des letzten Jahrzehnts notieren. Die Geschichte zeigt, dass Anleger mit einem Zeithorizont von ein bis zwei Jahren vernünftigerweise zweistellige Renditen erwarten können, wenn sie auf dem aktuellen Niveau investieren.

Der massive Zinsanstieg schlägt durch

Die steigenden Anleiherenditen stehen jedoch vor dem Hintergrund von Gewitterwolken, welche die wirtschaftliche Landschaft verdunkeln. Die Umfragen im verarbeitenden Gewerbe befinden sich weltweit in der Rezession, und auch der Dienstleistungssektor, lange einer der wenigen Lichtblicke, verliert an Schwung.

Die Verbraucher spüren zunehmend die Auswirkung der aggressiven geldpolitischen Straffung der grossen Zentralbanken. Selbst Chinas lang erwartete wirtschaftliche Erholung nach Covid ist ins Stocken geraten.

Die Zentralbanken gehen in ihrem Bestreben, die Inflation zu bekämpfen, grosse Risiken ein. Die restriktive Geldpolitik droht die Wirtschaft in eine Rezession zu stürzen. Der Entzug von Liquidität aus dem globalen Finanzsystem, der zu Turbulenzen bei britischen Pensionsfonds und US-Regionalbanken geführt hat, könnte weitere wackelige Schuldenstrukturen und versteckte Hebelwirkungen in obskuren Ecken des Marktes zutage fördern.

Schwellenländer sind widerstandsfähiger

Aber auch wenn Sturmwolken heranziehen, werden nicht alle Boote sinken. Globale Hochzinsanleihen bieten angesichts der robusten Fundamentaldaten die Möglichkeit, in unruhigem Fahrwasser Wert zu schaffen. Die Bewertungen haben sich erheblich verbessert, die Kapitalstrukturen sind robust und die Qualität der Anlageklasse ist besser als in der Vergangenheit.

Viele Unternehmen haben sich in der Pandemie refinanziert und sich kostengünstige Finanzierungen gesichert, so dass die Bilanzen gesund sind. Auch wenn Ausfälle wahrscheinlich zunehmen werden, ist es unwahrscheinlich, dass wir ein Niveau wie während der Finanzkrise erreichen. Die Auswahl, auch bei Aktien, ist entscheidend.

Im Zinszyklus voran

Auch Schwellenländeranleihen sind attraktiv, weil sie ausser attraktive Renditen und günstige Währungen einen Wachstumsaufschlag gegenüber den Industrieländern aufweisen. Viele Notenbanken haben proaktiv auf Inflationsrisiken reagiert.

Die brasilianische Zentralbank zum Beispiel erhöhte die Zinsen erstmals im März 2021, lange vor der amerikanischen. Siehob den Eckzins mehr als zehn Mal auf 13,75 Prozent an. Einige Geldhüter in diesen ändern sind nun zu Zinssenkungen bereit, während Zentralbanken in Industrieländern, wie die Bank of England, weitere Zinserhöhungen vornehmen müssen, um die hartnäckige Inflation zu bekämpfen.

Während die weltweit steigenden Kreditkosten einigen von Fremdwährungskrediten abhängigen Frontier-Volkswirtschaften schaden könnten, sind Schwellenländer widerstandsfähiger als in der Vergangenheit – mit gesunden Bilanzen und starken fiskalischen Puffern.

Indien und Indonesien sind Lichtblicke, da sie sich stärker an den geld- und finanzpolitischen Rahmen halten und gleichzeitig vom Binnenkonsum bzw. der Umstellung auf grüne Energie profitieren.

Keine Zinssenkungen in naher Zukunft

Eine aggressive Umschichtung in Anleihen könnte jedoch riskant sein, insbesondere angesichts der wechselnden Gezeiten beim Übergang von einer spätzyklischen wirtschaftlichen Expansion zu einem möglichen Rezessionsszenario. Die Renditekurven sind invers, und eine zu frühe Verlängerung der Duration könnte teuer werden.

Während die Zentralbanken signalisiert haben, dass sie sich dem Ende eines der aggressivsten geldpolitischen Straffungszyklen der jüngeren Geschichte nähern, haben sie sich auch gegen die Markterwartungen von Zinssenkungen in naher Zukunft gestemmt, weil sich die Arbeitsmärkte robust zeigen.

Sogar die äusserst restriktive Bank of Japan hat Ende Juli ihren Einfluss auf die Staatsanleihemärkte gelockert, indem sie eine breitere Handelsspanne bei der Steuerung der Renditekurve zuliess. Während die Märkte die Auswirkungen der jüngsten geldpolitischen Massnahme verdauen, werden die japanischen Anleiherenditen wahrscheinlich steigen, da die Inflation weiterhin über dem Zielwert liegt.

Die Kosten für Investitionen in Anleihen, bei denen kurzfristige Gelder zur Finanzierung langer Anleihepositionen verwendet werden, bedeuten tägliche Renditeeinbussen, wobei Anleihen mit kürzerer Laufzeit höhere Renditen bieten als solche mit längerer Laufzeit.

Quelle der Diversifizierung

Unabhängig davon, ob ein wirtschaftlicher Abschwung eintritt oder nicht, werden Anleihen wieder zu einem wichtigen Diversifizierungsfaktor in den Portfolios. Für diejenigen, die das Aktienrisiko scheuen, sind Hochzinsanleihen im Vergleich zu Aktien günstig und haben eine kürzere Duration als Kernanleihen. Unser Asset-Allocation-Team hat Fixed Income übergewichtet – sowohl Hochzins- als auch Schwellenländeranleihen.

Wir sind der Ansicht, dass die Renditen von Anleihen mit längeren Laufzeiten weiterhin unter Druck stehen werden, da die Anleihemärkte versuchen werden, das erhöhte Emissionsvolumen vor dem Hintergrund einer strafferen Geldpolitik zu absorbieren. Darüber hinaus werden die Auswirkungen der anhaltend höheren Zinsen das Wirtschaftswachstum belasten.

Vor diesem Hintergrund befürworten wir eine Reduzierung der Duration und bevorzugen hochwertige Investment-Grade-Anleihen als Risikoabsicherung. Bargeld ist bei den derzeitigen Renditen das Nonplusultra und bietet Liquidität und trockenes Pulver, wenn sich Gelegenheiten ergeben.

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