18.09.2024, 08:47 Uhr
Das angeschlagene Solarunternehmen Meyer Burger versucht mit einem neuen Restrukturierungsprogramms den Befreiungsschlag. CEO und Finanzchef verlassen die Firma. Auch zahlreiche Mitarbeitende werden ihren Job verlieren.
Es war ein Schritt mit Ansage: Statt in Bitterfeld-Wolfen baut Meyer Burger eine neue Solarzell-Produktion in den USA auf. Die Berner Oberländer profitieren dabei von reichlich Subventionen. Etwas, was das Unternehmen in Europa vermisst.
Mit einer anfänglichen Kapazität von zwei Gigawatt soll die neue Anlage in Colorado Springs (Colorado) das eigene Solarmodulwerk in Goodyear (Arizona) mit Solarzellen beliefern, erklärte Konzernchef Gunter Erfurt an einer Telefonkonferenz. Der Produktionsstart sei für das vierte Quartal 2024 geplant.
«Mit Solarzellen 'Made in USA' qualifizieren wir uns für zusätzliche Steuergutschriften», sagte Erfurt. Alleine der Inflation Reduction Act von US-Präsident Joe Biden könnte bis 2032 kumulierte Gutschriften von 1,4 Milliarden Dollar einbringen.
«Damit senkt alleine der IRA-Act die Kosten pro Watt um 11 Cents», illustrierte der Chef von Meyer Burger. Zum Vergleich: Heute verlange das Unternehmen in Europa rund 40 Cents pro Watt.
Obendrauf gibt es zudem ein Finanzpaket in Höhe von 90 Millionen Dollar von der Stadt Colorado Springs und dem Bundesstaat Colorado. Und das Department of Energy gewährt ein Darlehen in Höhe von 300 Millionen.
Das Nachsehen hat der Standort Thalheim in Bitterfeld-Wolfen, Deutschland: Die geplante Verdreifachung der Kapazität für die Solarzellenproduktion auf 3,4 Gigawatt wird abgeblasen. Die Maschinen, die in Sachsen-Anhalt installiert werden sollten, gehen nun in die USA.
Das ist auch ein Rückschlag für die geplante Energiewende der EU und das Ziel, weniger abhängig von Solarzellen aus China zu werden. «In den USA hat die Regierung erkannt, welchen Stellenwert die Cleantec Industrie erkannt», sagte Erfurt mit Blick auf die Beihilfen, die auf der anderen Seite des Atlantiks gewährt werden. «Wir hoffen, dass das auch in Europa geschehen wird.»
Erfurt hatte zuletzt mehrfach von Deutschland und der EU mehr Unterstützung für die Branche gefordert und wegen guter Förderbedingungen in den USA vor einer Abwanderung der Solarindustrie gewarnt. Während in den USA europäischen Herstellern der rote Teppich ausgerollt werde, gebe es in Europa sehr schlechte Marktbedingungen, sagte er unlängst an der Messe Intersolar in München.
In den USA soll es nun dafür umso rascher vorangehen: «Wir wollen so schnell wie möglich loslegen in Colorado», betonte der Chef von Meyer Burger. Daher baue man kein neues Werk auf der grünen Wiese, sondern übernehme eine frühere Fabrikationsstätte von Intel. In einem ersten Schritt werden 350 Arbeitsplätze in Colorado geschaffen.
Mit dem Schritt nach Amerika kann Meyer Burger auch bis zu einem gewissen Grad dem sehr kompetitiven Markt in Europa entgehen. Hier werde der Markt von chinesischen Produkten geflutet, die zu «Dumpingpreisen» verkaufen würden. «Da sprechen wir von Subventionen massivster Natur», sagte Erfurt.
Dieses Überangebot an Solarzellen drücke auf die Preise. Im ersten Semester 2023 rechnet Meyer Burger daher mit einem negativen Betriebsergebnis von rund 42 Millionen Franken. In der Folge will Meyer Burger für das Geschäftsjahr 2023 keine Prognose mehr abgeben.
Die Aktien von Meyer Burger stehen an der Börse am Montagmittag unter Verkaufsdruck (-8,2%). Dabei wiegt offenbar die Gewinnwarnung schwerer als die Verlagerung der Zellproduktion in den USA. Letztere wird von Analysten nämlich als «sehr positiver» Schritt angesehen.