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Türkei mit geringer Ansteckungsgefahr

Foto Pixabay
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Die türkischen Turbulenzen und die Marktnervosität dürften gemäss den Experten von DWS andauern. Die Ansteckungsgefahr für andere Länder halten sie jedoch für gering.

15.08.2018, 08:34 Uhr

Redaktion: glc

Die strukturellen Ungleichgewichte, auf denen die starken Wirtschaftszahlen der Türkei basierten, waren hinlänglich bekannt. Doch es bedurfte einer Reihe negativer Signale der Regierung, um die schwelende Krise ausbrechen zu lassen: die teuren Wahlversprechen im Vorfeld der Parlaments- und Präsidentenwahl im Juni dieses Jahres, Präsident Erdogans Ablehnung von hohen Zinsen und seine Feststellung, wonach hohe Zinsen hohe Inflation verursachten, das weitere Beschneiden der Unabhängigkeit der Zentralbank sowie die Ernennung von Erdogans Schwiegersohn zum Finanzminister. All dies bereitete internationalen Investoren bereits genügend Kopfschmerzen, die sich dann aufgrund des vergangene Woche offen ausgetragenen Disputs zwischen Ankara und Washington noch verstärkten. Anlass war die weitere Inhaftierung des amerikanischen Pastors Brunson, die Washington die diplomatischen Daumenschrauben anziehen liessen. Dies erreichte den Höhepunkt in der Aussage des US-Präsidenten Trump von vergangener Woche, die USA werden die Zölle auf Stahl und Aluminium aus der Türkei auf 50, beziehungsweise 20 Prozent verdoppeln. Die Lira baute daraufhin ihren Jahresverlust gegenüber dem Dollar auf fast 50 Prozent aus.

Zinserhöhung oder Kredit als Lösung
Gemäss den Experten von DWS stünden der Türkei insbesondere zwei Mittel zur Verfügung um die Krise zu bewältigen. Entweder, eine starke Zinserhöhung, um Inflation und Kapitalflucht zu vermeiden und ausländisches Geld wieder anzulocken. Oder, sich vom Internationalen Währungsfonds (IWF) einen Kredit in einer Höhe gewähren lassen, der die kurzfristigen Sorgen ausländischer Kreditgeber ausräumen könnte.

Gegen ersteres spricht jedoch die bereits genannte Aversion Erdogans gegen hohe Zinsen, sowie die konjunkturellen Gefahren, die sich für die Binnenwirtschaft ergäben. Gegen zweites spricht eine mögliche Aversion Erdogans gegen die übliche Medizin des IWF, die unter anderem ein Ende der fiskalischen Geschenke an das Wahlvolk bedeuten würde. Zudem haben die USA bereits signalisiert, dass sie eine Rettungsaktion internationaler Institutionen für die Türkei nicht mittragen würden. Elke Speidel-Walz, Chief Economist Emerging Markets bei der DWS, fasst zusammen: "Die Finanzkrise der Türkei wurde von den USA nicht verursacht, sondern höchstens ausgelöst. Dass Ankara die Inflation ausser Kontrolle geraten liess und sich zur Finanzierung des Leistungsbilanzdefizits auf kurzfristige ausländische Kredite verliess, ist im wesentlichen Grund der Krise."

Auswirkungen auf die Anlageklassen
Aufgrund der Grösse der türkischen Wirtschaft (2017: 850 Milliarden US-Dollar, gerechnet zu Devisenkursen zu Jahresanfang) muss man sich vor Ansteckungsgefahren keine allzu grosse Sorgen machen. Die Eurozone exportiert weniger als 0,6 Prozent ihres BIP in die Türkei. Dennoch sollte man die Entwicklung nicht auf die leichte Schulter nehmen. Zwar helfen die insgesamt robusten globalen makroökonomischen Zahlen weiterhin die Anleger bei Laune zu halten. Doch könnte das Aufeinandertreffen mehrerer idiosynkratrischer Ereignisse ihre Risikoaversion erhöhen. Der Renditeanstieg italienischer Staatsanleihen am Montag auf über drei Prozent könnte so gedeutet werden. Zwar können sich die diplomatischen Wellen derzeit schnell hochschlagen, doch wie etwa der Besuch Junckers in Washington zeigte, können sich die Wogen auch schnell wieder glätten. Wobei die DWS Experten weiter davon ausgehen, dass der Höhepunkt der Handelsstreitigkeiten noch nicht erreicht worden ist.

Die DWS Experten rechnen damit, dass die Marktschwankungen zunächst wieder weiter ansteigen werden, nachdem sie zu Sommeranfang wieder stark gesunken waren. Sie bleiben etwas vorsichtiger, doch differenzieren genau und sehen auch Chancen durch die jüngsten Ausschläge. Bei Aktien rechnen sie damit, dass sich auf Einzeltitelebene die Situation in der Türkei in erster Linie bei jenen Banken widerspiegelt, die grössere Aktivitäten in der Türkei vorzuweisen haben.

Währungsseitig erwarten die DWS Experten weiteren Druck auf andere Schwellenländer. Die Flucht in den Dollar könnte ihres Erachtens dazu führen, dass er etwa gegenüber dem Euro weiter zulegen könnte und sich somit von ihrer Zielmarke von 1,15 kurzfristig noch weiter entfernt.

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