Wirtschaft des Euroraums wird 2012 bestenfalls leicht schrumpfen

Anton Brender, Chefvolkswirt bei Dexia Asset Management
Anton Brender, Chefvolkswirt bei Dexia Asset Management

Europa steckt weiterhin in der Krise. Eine Lösung scheint in naher Zukunft nicht absehbar, entsprechend schwach fällt der Wachstumsausblick für die Eurozone aus. Auch die Konjunkturdaten der Vereinigten Staaten sind weniger gut als erwartet. Profiteure sind die Schwellenländer, welche ihre geld- und fiskalpolitischen Spielräume geschickt zu nutzen wissen, analysiert Anton Brender, Chefvolkswirt bei Dexia Asset Management.

15.06.2012, 10:08 Uhr

Redaktion: sek


Seit Ende 2011 ist das Wachstum weltweit zurückgegangen. In den Emerging Markets dürfte es aber allmählich wieder anziehen. Die Schwellenländer profitieren von niedrigeren Agrarrohstoffpreisen und werden nicht zögern, ihren geld- und fiskalpolitischen Spielraum zu nutzen. Brasilien und jetzt auch China haben bereits begonnen, ihre Geldpolitik zu lockern.

USA wachsen noch immer
Der Aufschwung in den USA trägt sich hingegen selbst. Seit einiger Zeit werden jeden Monat über 150‘000 neue Arbeitsplätze geschaffen und die Nominallöhne steigen um 4% p.a. Das für 2012 erwartete eher mässige BIP-Wachstum von real 2,3% und der geringe Spielraum für weitere Zinssenkungen bedeuten aber Risiken für die Konjunktur- Denn die Fiskalpolitik dürfte erheblich gestrafft werden, um 3,5% des BIP, sollten sich Republikaner und Demokraten nicht doch noch auf einen Kompromiss einigen. Anton Brender, Chefvolkswirt von Dexia Asset Management, kommentiert: „Die Unsicherheit über die Straffung der Fiskalpolitik 2013 dürfte erst nach den Wahlen Ende des Jahres schwinden. Dennoch sollten die USA pragmatisch sein und sich beim Abbau des Haushaltsdefizits an der Konjunktur orientieren.“

Euroraum erneut in der Rezession
Im Euroraum hat das Wachstum seit Mitte 2011 deutlich nachgelassen. Allmählich zeichnen sich auch die Folgen des gleichzeitigen Abbaus privater und öffentlicher Schulden ab. Anders als die USA haben sich die Euroraum-Länder, eines nach dem anderen, sehr ambitionierte Defizitziele gesetzt. Dabei haben sie nicht bedacht, was dies für das Wachstum bedeuten könnte. In den Ländern mit besonders strengen Sparzielen ist das Wachstum besonders schwach – mit erheblichen sozialen, manchmal auch politischen, Konsequenzen. Die Interventionen der EZB, insbesondere die günstigen Dreijahreskredite, haben den Teufelskreis aus Staatsanleiherenditen, schwachem Wachstum und Problemen des Bankensystems zwar eine Weile gestoppt. Durchbrochen haben sie ihn aber nicht einmal annähernd.

Die politische Krise in Griechenland mit der Diskussion über einen möglichen Austritt des Landes aus der Währungsunion dürfte die Staats- und Regierungschefs umdenken lassen. Mit immer höheren „Brandmauern“ lassen sich weder das Vertrauen wiederherstellen noch das Wachstum ankurbeln. Florence Pisani, Volkswirtin bei Dexia Asset Management, fügt hinzu: „Wenn die Regierungen den Teufelskreis stoppen wollen, müssen sie Griechenland von einem Austritt aus dem Euroraum abhalten und sich darauf verständigen, den meisten Ländern mehr Zeit für den Defizitabbau zu geben.“ Selbst wenn es zu einer solchen Einigung käme, würde die Wirtschaft des Euroraums 2012 bestenfalls leicht schrumpfen und 2013 kaum wachsen (um knapp 1%). Anton Brender und Florence Pisani sind sich einig: „Die Euroraum-Staatsschuldenkrise ist noch nicht zu Ende.“

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