Union Investment: Emerging Markets Anleihen sind besser als ihr Ruf

Christian Kopf, Leiter Portfoliomanagement Anleihen über die sieben wichtigsten Irrtümer bei Schwellenländer-Anleihen. (Bild pd)
Christian Kopf, Leiter Portfoliomanagement Anleihen über die sieben wichtigsten Irrtümer bei Schwellenländer-Anleihen. (Bild pd)

Obligationen aus Schwellenländern gelten als problembehaftet und krisenanfällig. Doch damit wird man ihnen nicht gerecht. Union Investment hat sich mit den sieben wichtigsten Irrtümern zu dieser speziellen Anlageklasse auseinandergesetzt. «Aus unserer Sicht ist die Attraktivität von Hartwährungsanleihen aus Schwellenländern für risikofähige Anleger deutlich gestiegen», schreibt Christian Kopf, Leiter Portfoliomanagement Anleihen.

01.02.2023, 09:46 Uhr
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Redaktion: sw

Grundsätzlich haben in den vergangenen Jahrzehnten in Euro oder US-Dollar denominierte Staats- und Unternehmensanleihen aus Schwellenländern einen beträchtlichen Mehrertrag gegenüber heimischen Staats- und Unternehmensanleihen abgeworfen – unterbrochen von periodisch auftretenden Krisen. Das Jahr 2022 machte da keine Ausnahme: «Ein Gebräu aus geopolitischen Spannungen, weltweit steigender Inflation, massiven Leitzinsanhebungen der Notenbanken in den USA und Europa und der darauf folgenden Wachstumsabschwächung führte zu deutlichen Kursverlusten bei Hartwährungsanleihen aus Schwellenländern», schreibt Union Investment.
Der wichtigste Faktor für den Anlageerfolg sei dabei erneut die US-Geldpolitik gewesen: «Wie in vorherigen Kapitalmarktzyklen führen die anlaufenden Zinserhöhungen der Federal Reserve zu einer schwachen Marktphase für EM-Anlagen». Der Wirkungsmechanismus ist einfach: Bisher hoch verzinste Anleihen aus Schwellenländern verlieren aufgrund höherer US-Zinsen gegenüber den sehr liquiden und risikoärmeren US-Staatspapieren an Attraktivität.
Internationale Anleger zogen hohe Summen ab, die Anlageklasse verlor prozentual zweistellig an Wert. Nun deutet sich laut Kopf «der Wendepunkt an». «Aufgrund der rückläufigen US-Inflation rückt ein Ende des Fed-Zyklus in greifbare Nähe. Deshalb ist dies ein guter Zeitpunkt für einen Positionsaufbau, wenn risikobewusste Anleger die Lehren aus den folgenden sieben grössten Irrtümern ziehen», heisst es weiter.

Langfristigkeit zahlt sich aus

Das Bild von schwankungsanfälligen, politisch und wirtschaftlich risikobehafteten Emittenten greift zu kurz: Viele Schwellenländer sind solide finanziert. Das zeigte sich im vergangenen Jahr auch daran, dass vor allem der US-Zinsanstieg die Kurse belastete, weniger die Ausweitung der Risikoprämien.
Langfristig kann sich aus Sicht des Euro-Anlegers die Wertentwicklung von Anleihen aus bonitätsstärkeren EM-Ländern sehen lassen. Im Vergleich über zehn Jahre brachte ein breiter Index in US-Dollar denominierter Papiere aus Schwellenländern gegenüber US-Staatsanleihen eine deutlich höhere Wertentwicklung, auch nach der Währungssicherung in Euro.

Gute Bonitäten sind keine Seltenheit

Mehr als die Hälfte der im JP Morgan EMBI Global Diversified-Index für Staatsanleihen aus Schwellenländern enthaltenen Emittenten sind als Investmentgrade eingestuft. Trotz des schwierigen Umfelds hat sich die Ratingdynamik im EM-Segment stabilisiert und ist teilweise sogar wieder ins Positive gedreht. Das Vorurteil einer schlechten Haushaltspolitik klebt an vielen Emittenten. Dabei werden günstige Entwicklungen zu oft übersehen. Ein Beispiel sei Südafrika, lange ein Sorgenkind. Hier komme langfristig eine positive Reformdynamik zum Tragen – wenn Präsident Ramaphosa im Amt bleibt. Hauseigene Länder-Ratings, die makroökonomische Entwicklungen umfassend spiegeln, nehmen darum für uns eine wichtige Funktion im Auswahl- und Risikomanagementprozess ein.

Höhere Puffer gegen Krisen

Die während der Corona-Pandemie befürchtete Schwellenländerkrise blieb aus. «Wir erwarten zwar Zahlungsausfälle einzelner Länder, aber keine neue Schuldenkrise in der Breite», blickt der Leiter Portfoliomanagement Anleihen voraus. Viele Schwellenländer hätten seit der Asienkrise ihr Schuldenmanagement professionalisiert, wie etwa Indonesien oder Südkorea, die Währungsreserven auf- und den lokalen Anleihenmarkt ausgebaut. Sie legten Augenmerk auf eine gute Mischung ihrer Refinanzierung und seien damit Währungsschwankungen und ausländischem «Tourismusgeld» weniger ausgeliefert. «Viele Schwellenländer haben zudem durch frühzeitige Zinsanhebungen ihre Währungen stabilisiert und die heimische Nachfrage gebremst. Die Voraussetzungen für rückläufige Leistungsbilanzdefizite sind damit gegeben. Dies wirkt für viele Emittenten wie Golfanrainerstaaten, osteuropäische Staaten, Südafrika oder Indonesien kursstützend», fasst Kopf zusammen.

Wenig spekulatives Geld
Viele internationale Anleger haben EM-Bonds den Rücken gekehrt. Abflüsse in zweistelliger Milliardenhöhe waren 2022 die Folge. Somit sind die Positionierungen bereinigt. «Das ist aus unserer Sicht ein positiver Faktor», heisst es weiter.
Es gebe kaum noch spekulatives Geld in dieser Anlageklasse, und eine schrittweise Rückkehr von zusätzlichen Käufern wirke kursunterstützend. Das Jahr 2023 habe mit einem «fulminanten Emissionsvolumen bei Anleihen aus Schwellenländern begonnen». Mexiko hat den Anfang gemacht und eine «beachtliche Investorennachfrage» gesehen. Auch anderen Emittenten wie den Philippinen, Ungarn oder Israel gelangen sehr erfolgreiche Platzierungen. Dies zeige, dass der Markt aktuell wieder aufnahmefähig ist.

Wachstum zählt – aber nicht nur
Ein Kaufargument für EM-Anlagen waren bisher oft höhere Wachstumsraten. Tatsächlich dürften Länder wie die Elfenbeinküste, Kenia oder der Senegal noch einige Zeit Wachstumsraten von sechs bis sieben Prozent vorweisen. Aber es gibt immer mehr Staaten, deren Wirtschaft reift und weniger dynamisch wächst. Dazu zählt China. Hier hat die Regierung zudem die strategische Entscheidung getroffen, den Heimatmarkt zu stärken. Damit verringern sich positive Wachstumseffekte auf andere Länder. «Entscheidend ist heute, ob es sich um qualitatives Wachstum handelt oder nicht», heisst es bei Union Investments. Dazu seien langfristige Analysen von Konjunktur sowie regulatorischem und politischem Rahmen nötig. «Die unterschiedlichen Zyklen, in denen sich die einzelnen Schwellenländer in Konjunktur oder geopolitischen Anpassungsprozessen gerade befinden, ermöglichen auch taktische Anlagechancen.»

Mehr Dynamik bei ESG
Aspekte zu Umwelt, Sozialem und Unternehmensführung (ESG) setzten sich als Investmentthema auch bei EM-Anlagen stärker durch. Ablesbar wird dies etwa am Ausbau erneuerbarer Energien oder daran, dass auch Schwellenländer wie Chile beginnen, grüne Anleihen an den Markt zu bringen. «Zusätzlich zu den Mindestfiltern in der Länder- und Titelauswahl kann eine Berücksichtigung des wirtschaftlichen Entwicklungsstand eines Landes – gemessen am Pro-Kopf-Einkommen – in der Beurteilung helfen.» Denn das Nachhaltigkeitsniveau sei abhängig vom Entwicklungsstand. Die Mehrheit der Weltbevölkerung lebt in Ländern, die nach westlichen Standards markante Defizite aufweisen, wo aber Investitionen in nachhaltiges Wachstum umso dringender erforderlich seien. Trotzdem sei es in einem Anlageprozess mit integrierten Nachhaltigkeitskriterien möglich, nicht nur negative, sondern auch positive Veränderungen zu erkennen, etwa was Arbeitsstandards, Menschenreche, Umweltschutz, Korruption oder Religionsfreiheit betrifft.

Richtige Länderauswahl ist entscheidend
Die Anlageklasse sei von einer «Spreizung der Bonitäten geprägt», die in den letzten Jahren noch zugenommen habe. Vorsicht sei bei schwächeren EM-Emittenten angebracht. «Dazu zählen aus unserer Sicht Pakistan, El Salvador und Tunesien. Angesichts unbestrittener Risiken macht eine aktive Auswahl, die multidimensionale Einflussfaktoren berücksichtigt, den Unterschied.» So gab es etwa 2021 einige spektakuläre Ausfälle, erstmals mit Sri Lanka, aber auch mit dem Libanon und Venezuela, während Sambia derzeit mit den Investoren verhandelt. Auch der Grossmachtwettbewerb und die damit verbundene Blockbildung zwischen China, den USA und Europa trifft viele Schwellenländer und führt zur Umlenkung von Investitionen. Dies birgt Risiken, aber auch Chancen für einzelne Länder.

Fazit
«EM-Hartwährungsanleihen bedürfen einer aktiven Auswahl. Gerade US Dollar-Staatsanleihen aus Schwellenländern bieten nach unserer Einschätzung bei einem unverändert bleibenden Risikoaufschlag zu US-Staatspapieren einen guten Puffer gegen weiter steigende Zinsen. So dürfte ein möglicher weiterer Anstieg der US-Treasury-Renditen um 80 Basispunkte unter dem Strich immer noch einen positiven Anlageerfolg auf Sicht von zwölf Monaten ergeben. Wenn sich die globalen Inflationserwartungen weiter stabilisieren, dürfte sich dies positiv auf die EM-Anlageklasse auswirken. Mit einem mehrjährigen Anlagehorizont bietet sie derzeit vergleichsweise grosse Renditechancen, womit die erhöhten Risiken kompensiert werden dürften», fasst Christian Kopf, Leiter Portfoliomanagement Anleihen zusammen.

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