Werden 2020er Jahre zum "Jahrzehnt der angestossenen Chancen"?
Handeln statt lamentieren – struktureller Gegenwind, wie das gescheiterte Rahmenabkommen mit der EU, könnten Reformen anstossen. (Bild: Shutterstock.com/createjobs)
Die Schweiz ist das wettbewerbsstärkste Land, und die Konjunktur hellt sich rasch auf. Auf der anderen Seite droht eine neue Covid-Welle, und das Platzen des EU-Rahmenvertrags sowie geplante globale Steuerharmonisierung werfen Schatten. Wohin geht die Entwicklung? Die Beengung legt Kräfte frei, sagt der Chefökonom Schweiz der Zürcher Kantonalbank.
30.08.2021, 11:41 Uhr
Redaktion: hf
Die Schweizer Wirtschaft gibt ein gutes Bild ab. Während sich die Industrie auf hohem Niveau stabilisiert, hat sich die Dynamik auch im Dienstleistungssektor zuletzt beschleunigt. Die Schätzungen für das Bruttoinlandprodukt steigen laufend. War die Zürcher Kantonalbank im Frühjahr mit einer Wachstumsprognose von 4% für 2021 noch Spitzenreiter unter den Wirtschaftsauguren, gehen inzwischen fast alle (nach dem pandemiebedingten schwachen Vorjahr) von einem Wachstum in dieser Höhe aus.
Die wohl grösste positive Überraschung, wie schnell die Krise überwunden wurde, betrifft den Arbeitsmarkt, wie David Marmed, Chefökonom Schweiz, in den jüngsten Market Insights der Bank schreibt. Die Arbeitslosenrate ist mit aktuell 2,8% niedrig, die Inflation bewegt sich noch immer unter dem Zielbereich der Nationalbank, und auch strukturell macht die Schweiz eine gute Figur.
Angriff auf gute Rahmenbedingungen
So ist sie gemäss der jüngsten Rangliste des Institute for Management Development (IMD) das wettbewerbsstärkste Land der Welt. Zum ersten Mal führt die Schweiz das Ranking an: dank weltbester Infrastruktur, robusten öffentlichen Haushalten, solidem institutionellem Rahmen und vorteilhaften Finanzierungsbedingungen für Unternehmen.
Für David Marmet sind das gute Voraussetzungen auch für die mittel- und längerfristige Entwicklung der Schweiz. "Alles in Butter?" fragt er? Nein, zum einen ist die Pandemie alles andere als abgehakt, zum anderen waren die wirtschaftspolitischen Bedingungen – trotz der guten Noten des IMD – auch schon besser, gibt sich Marmed die Antwort gleich selbst.
Zurzeit könne nur spekuliert werden, wie sich die politischen Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU nach dem Abbruch der Verhandlungen durch den Bundesrat in den nächsten Monaten und Jahren konkret gestalten werden. Einfacher werde es auf jeden Fall nicht.
Anfang Juli haben die Finanzminister und Notenbankchefs der G20-Länder dem Umbau der globalen Unternehmenssteuern zugestimmt. Die Einnahmen sollen dort versteuert werden, wo Konzerne ihre Umsätze erzielen. Ausserdem sollen die Gewinne überall effektiv mindestens zu 15% versteuert werden, womit der steuergünstige Standort Schweiz eines seiner Vorteile verlieren würde.
Weshalb die Mahner unrecht haben
Ausser der Corona-Pandemie sind es diese beiden wirtschaftspolitischen Entscheide, die in grossen Kreisen Wachstums- und Abstiegsängste hervorrufen. Die Schweiz sei selbstgefällig und reformfaul geworden, beklagen die einen. Der ZKB-Ökonom gehört nicht dazu. Ein Blick in die Geschichte zeige, dass solche mahnenden Worte nicht neu seien. "Gerade das EWR-Nein von 1992 hatte viele Mahner auf den Plan gerufen – und die Reformaktivitäten wurden in der Folge deutlich erhöht." kontert er.
Die Gesellschaft war auch damals gespalten, doch: "Gerade in Phasen der gefühlten Beengtheit vermag die Willensnation Schweiz einen besonderen Elan für Reformen an den Tag zu legen", sagt Marmed. In den 1990er Jahren waren die Einführung des Binnenmarktgesetzes, das revidierte Kartellgesetz, die Vorbereitungen zur neuen Fachhochschullandschaft, die Vorarbeiten zur Einführung der Schuldenbremse und die bilateralen Abkommen mit der EU Beispiele für den erwachten Reformgeist der Schweiz.
Lehren aus den 1990er Jahren
Es sollte somit nicht verwundern, wenn auch die 2020er Jahre als «Jahrzehnt der angestossenen Reformen» in Geschichte eingehen würden, meint Marmed. Auch längerfristig sehe es gut aus. Die Schweiz mische bei der technologischen Wettbewerbsfähigkeit seit Jahrzehnten vorne mit, und es gäbe wenige Anhaltspunkte, wieso sich dies in den nächsten Jahren ändern sollte. Auch die Standortattraktivität dürfte trotz globaler Steuerharmonisierung erhalten bleiben.
Die Gestaltung der zukünftigen Beziehung zur EU ist die Unsicherheit, die der Schweizer Wirtschaft am meisten Sand ins Getriebe streut. "Die Erfahrungen der 1990er-Jahre lassen indes hoffen, dass die Dringlichkeit erkannt wurde und die Bereitschaft zu Verhandlungen und Reformen besteht."
Die Voraussetzungen sind gut, dass die Schweiz – allen Abstiegsängsten zum Trotz – auch Ende dieses Jahrzehnts zu den wettbewerbsfähigsten Ländern der Welt zählen wird. Ob halbleer oder halbvoll? würde er sagen, "das Glas für die Schweizer Wirtschaft ist halbvoll."
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