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Risiken in China nehmen zu

Andreas Busch, Senior Analyst Economic Research bei BANTLEON.
Andreas Busch, Senior Analyst Economic Research bei BANTLEON.

Chinas Wirtschaft hat sich in den vergangenen Quartalen erstaunlich wacker geschlagen. Die Anfang 2016 im Umfeld abstürzender Rohstoffpreise aufgekommene Angst vor einem "Hard Landing", das die Weltwirtschaft in einen Abgrund reissen könnte, löste sich dank überraschend robuster Wirtschaftsdaten schnell in Luft auf. Andreas Busch, Senior Analyst Economic Research des Asset Managers BANTLEON warnt aber vor der hohen Staatsverschuldung, die auf der Zukunft der chinesischen Wirtschaft lastet. "Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Blase in den nächsten Jahren platzen wird – mit unabsehbaren Folgen für die Weltwirtschaft."

12.09.2017, 09:35 Uhr
Finanzplätze

Redaktion: jog

Das Wirtschaftswachstum in China lag seit Jahresanfang über den Erwartungen der meisten Volkswirte. Verantwortlich für die Erholung der vergangenen Monate waren staatliche Stützungsmassnahmen. So lancierte die Regierung umfangreiche Infrastrukturprojekte, was sich in einer deutlich anziehenden Investitionstätigkeit der staatseigenen Unternehmen niederschlug. Die Investitionsschwäche bei den privaten Unternehmen, die aus dem anhaltenden Abbau von Überkapazitäten resultierte, konnte damit ausgeglichen werden. Daneben kurbelte die Regierung den Immobilienmarkt an. Die Käufe zogen an und die Leerstände wurden reduziert. Wegen der dabei stark gestiegenen Immobilienpreise musste die Regierung aber schnell wieder umsteuern und begann schon Mitte 2016, die Anreize für den Immobilienerwerb zu verringern, schwenkte sogar auf einen restriktiven Kurs ein. So wurden die Eigenmittelanforderungen beim Erwerb von Zweit- und Drittwohnungen angehoben. In Peking verbot man sogar den Kauf einer zweiten Immobilie – wenn es sich um ein Einfamilienhaus handelt. Darüber hinaus gelten nun geschiedene Ehepartner nicht mehr als Erstkäufer, solange die Scheidung weniger als ein Jahr zurückliegt.

Nachlassender monetärer Rückenwind dämpft auch Kreditvergabe
Die moderaten geldpolitischen Straffungen vom Anfang des Jahres (die kurzfristigen Reposätze wurden im Februar und März leicht angehoben) wirkten ebenfalls dämpfend, was künftig auch die Kreditvergabe bremsen sollte, die in den vergangenen Monaten unerwartet angezogen hatte. Üblicherweise reagiert das Kreditwachstum – ähnlich wie die Immobilienverkäufe – mit einer Verzögerung von rund einem halben Jahr auf Änderungen der Geldpolitik durch die Notenbank. Die jüngsten Kreditimpulse, die wahrscheinlich auch als Konjunkturstütze vor dem Parteikongress im Oktober fungierten, sollten nur ein vorübergehendes Phänomen sein. In der Folge müsste sich auch die Investitionstätigkeit der staatseigenen Unternehmen weiter abschwächen.

Das BIP-Wachstum, das sich im 1. und 2. Quartal 2017 auf 6.9% belebt hatte, dürfte deshalb wieder an Schwung verlieren. Andreas Busch, Senior Analyst Economic Research bei BANTLEON, rechnet mit einem Zuwachs von 6.7% im 3. Quartal und von 6.5% im 4. Quartal 2017 sowie mit einer Fortsetzung der Abschwächung im Jahr 2018. In diesem Szenario würde das gesamtwirtschaftliche Expansionstempo im Jahresdurchschnitt 2017 mit 6.7% auf dem Vorjahresniveau verharren und das 6.5%-Ziel der Regierung leicht übertreffen. 2018 läge es mit 6.3% leicht unter dem Ziel. Ungeachtet dieser Abschwächung dürfte der Wachstumsimpuls, der auf die Weltwirtschaft ausgeht, kaum abnehmen. Das etwas schwächere Wachstum wird nämlich dadurch ausgeglichen, dass Chinas Wirtschaft einen immer grösseren Teil der Weltwirtschaft ausmacht.

Noch kann der Staat die Schuldenblase weitgehend vertuschen
Die Prognose eines schwächer werdenden Kreditwachstums stützt sich nicht nur auf den vollzogenen Kurswechsel der Notenbank hin zu einer weniger expansiven geldpolitischen Ausrichtung. Eine nachlassende Kreditdynamik ist auch deswegen wahrscheinlich, weil ein Umsteuern beim exzessiven Kreditwachstum aufgrund der damit verbundenen Risiken längst überfällig ist. Mit einer Gesamtverschuldung in Höhe von rund 260% des BIP ist China unter den aufstrebenden Volkswirtschaften mit Abstand der Spitzenreiter. Verantwortlich sind dafür vor allem die Unternehmen, deren Verschuldung von 100% des BIP im Jahr 2008 auf 170% im Jahr 2016 in die Höhe geschossen ist. Bislang halten sich die von dieser Blase ausgehenden Gefahren in Grenzen. Unter anderem, weil mehr als die Hälfte des Schuldenbergs auf das Konto der staatseigenen Unternehmen geht, die vor allem bei den staatlich kontrollierten Grossbanken in der Kreide stehen. Den wachsenden Berg notleidender Kredite und die drohenden Zahlungsausfälle konnte der Staat so bisher weitgehend vertuschen. Auf die Dauer wird das aber schwieriger werden. Zumal dann, wenn die Politik ernst macht mit ihrem Vorhaben, die staatlich dominierte Wirtschaft schrittweise zu liberalisieren.

Ungeachtet der gegenwärtig noch grossen staatlichen Einflussnahme sind bereits mehrere bedenkliche Entwicklungen zu erkennen. So haben ähnlich wie zur Zeit des Immobilienbooms in den USA die Banken einen Teil der Problemkredite aus ihren Bilanzen verschwinden lassen. Dazu wandelten sie diese in strukturierte Sparprodukte um und reichten sie an private Anleger sowie institutionelle Investoren weiter. Die Regierung versucht seit geraumer Zeit, der damit verbundenen Intransparenz entgegen zu wirken. So müssen seit Anfang 2016 Banken den Umfang der von ihnen begebenen Sparprodukte in ihren Bilanzen ausweisen. Die disziplinierenden Wirkungen dieses Eingriffs halten sich aber in Grenzen. Bei den Bankkrediten hat sich zwar das Expansionstempo verlangsamt. In den ersten sieben Monaten dieses Jahres übertrafen sie das Vorjahresniveau nur noch um 10% (2015: +20%. Die Ausgabe alternativer Finanzierungsinstrumente schoss aber im Gegenzug in die Höhe. Von Januar bis Juli 2017 überstiegen sie das Vorjahresniveau um über 50% (2015: -40%). Letztlich hat sich das undurchsichtige Kreditwachstum bislang nur verlagert. Deshalb muss die Regierung in Peking weitere Massnahmen ergreifen, um den Schuldenexzess einzudämmen. Dass dieser Prozess reibungslos abläuft und die Luft geordnet aus der Blase entweicht, ist möglich – allerdings wäre das weltweit das erste Mal. Wahrscheinlicher ist, dass es in den kommenden Jahren doch zu einer Krise kommt.

Wenn die Blase platzt, kollabiert das chinesische Wirtschaftswachstum
Was der Auslöser sein wird, der eines Tages die Lage eskalieren lässt, ist – wie bei allen Finanzkrisen der Vergangenheit – kaum vorherzusagen. Wahrscheinlich wird es früher oder später zu Regulierungs- beziehungsweise Liberalisierungs­feh­lern kommen, die einen Dominoeffekt nach sich ziehen und die schuldenfinanzierte chinesische Wirtschaft massiv unter Druck bringen. Das Hin und Her bei der Steuerung des Immobilienmarktes zeigt, wie schwer es schon jetzt für die Regierung ist, die wirtschaftliche Entwicklung zu kontrollieren. Je grösser der Schuldenberg wird und je weiter gleichzeitig die Liberalisierungen kommen, umso schwieriger wird das werden. Unklar ist darüber hinaus, ob es dann zu einem Platzen der Blase kommt oder ob die Luft nur langsam entweicht. Im ersten Fall würde der Konkurs vieler Unternehmen das Wirtschaftswachstum schlagartig kollabieren lassen. Im zweiten Fall würden die schuldenbeladenen staatseigenen Unternehmen über lange Zeit künstlich am Leben gehalten. Das könnte zwar den Wachstumseinbruch mildern, gleichzeitig aber die nötige Bereinigung in die Länge ziehen und die Innovationsfähigkeit der chinesischen Wirtschaft deutlich bremsen. Ähnlich wie Japan stünde China dann eine lange Phase lethargischen Wachstums bevor. Wie auch immer das Experiment ausgeht: Eines Tages wird China die Zeche aus dem Schuldenboom der vergangenen Jahre zahlen müssen.

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