Revitalisierungsprogramm Abenomics beliebt

Mikio Kumada, Global Strategist bei LGT Capital Management
Mikio Kumada, Global Strategist bei LGT Capital Management

Japans parlamentarisches System soll Stabilität gewährleisten und gleichzeitig die Macht der politischen Führung einschränken. Ist diese zersplittert oder die Wählerschaft unwillens, klare Mandate zu erteilen, dann bleibt kaum ein Regierungschef lange im Amt und die Politik scheint das Land nur zu lähmen. Lesen Sie den Marktkommentar vom LGT Experten Mikio Kumada.

24.07.2013, 10:57 Uhr

Redaktion: dab

Japan dürfte über die nächsten Jahre über eine stabile und breit legitimierte Regierung mit klaren Zielvorstellungen verfügen. Die Parteienkoalition von Prämierminister Shinzo Abe hat am vergangenen Sonntag 74 der 121 zur Wahl stehenden Sitzen des Oberhauses für sich gewinnen können. Die Liberaldemokratische Partei und ihr traditioneller Juniorpartner Komeito werden nun mit insgesamt 135 von 224 Oberhausessitzen eine Mehrheit von 60% stellen. Das Mandat für die Wirtschaftspolitik der Regierung ist allerdings noch stärker ausgefallen, als dieses Kräfteverhältnis suggeriert. So dürfte Abe bis mindestens Ende 2016 im Amt bleiben. Davor sind keine Wahlen auf nationaler Ebene vorgesehen. Ausserordentlich ist dies deshalb, weil sich japanische Regierungschefs nur selten viel mehr als ein Jahr lang an der Macht halten.

Nach wie vor sehr hohe Zustimmung für Abenomics
Es ist offensichtlich: Das wirtschaftliche Revitalisierungsprogramm des Prämierministers, "Abenomics" genannt, ist beliebter als die Regierung selbst. Nachwahlbefragungen von 197'000 Wählern ergaben, dass 72% der Stimmbürger "Abenomics" befürworten, was den Stimmenanteil der Koalitionsparteien deutlich übertrifft. Für die von Abe persönlich engagiert propagierte Verfassungsrevision, welche u.a. die Aufwertung des Militärs vorsieht, können sich hingegen nur 39% erwärmen. Der Koalitionspartner ist dagegen und die dafür notwendige Zweidrittelmehrheit im Oberhaus kann auch mit den Stimmen von zwei kleineren Oppositionsparteien, die sich dafür ausgesprochen haben, nicht erreicht werden.

Komfortable Mehrheiten bei wirtschaftspolitischen Themen in beiden Häusern
Klar ist hingegen, dass die Kernelemente von "Abenomics" jetzt komfortable Mehrheiten in beiden Kammern geniessen. Dies zeigen auch die Mehrheitsverhältnisse im Parlament nach Thema, statt nach Parteizugehörigkeit. Beeindruckend ist, dass fast 90% der Abgeordneten beider Kammern die Fortführung der extrem starken Geldmengenausweitung befürwortet – diese Art Geldpolitik ist in den USA und Europa viel umstrittener. Das einzige Thema, welches auf heftigen Widerstand stossen dürfte, ist die etwaige Öffnung des Agrarsektors im Rahmen des ansonsten weitgehend erwünschten Beitritts zur geplanten transpazifischen Freihandelszone TPP mit Nordamerika, vielen asiatischen und einigen südamerikanischen Ländern, so Kumada.

Abenomics: JA. Verfassungsexperimente: NEIN
So hat Prämierminister Abe sieben Monate nach seinem Amtsantritt nach den Unterhauswahlen vom Dezember 2012 die Bestätigung für seine wirtschaftlichen Pläne erhalten - einschliesslich der geplanten Umsatzsteuererhöhungen ab 2014 und anderer, potentiell unangenehmer, Reformen. Für eine Verfassungsrevision gibt es jedoch noch keine Mehrheit. Dieses Thema ist u.a. wichtig, weil es die angespannten Beziehungen zu China und Korea weiter belasten kann und das Potential hat, den Versuch, der Stagnation zu entkommen, wieder zunichte zu machen, betont Kumada weiter. Skeptiker haben von Beginn an davor gewarnt, dass Abe in Wahrheit weniger an Wirtschaftsreformen interessiert ist, sondern vielmehr nur auf einen günstigen Zeitpunkt wartet, um eine finstere, nationalistische Agenda umzusetzen. Das Gegenargument lautet: Sollte die LDP tatsächlich zu stark von ihrem Mandat abweichen, dann dürfte sie sich ziemlich bald wieder unfreiwillig von der Macht trennen. Genau das ist schliesslich 2006-2007 passiert, als Abe zum ersten Mal – kurzweilig und erfolglos – Prämierminister wurde. Auch damals verfügte die LDP anfänglich in beiden Häusern über ähnlich starke Mehrheiten wie heute. Doch bis Sommer 2009 hatte sie alles wieder verloren und musste erstmals in ihrer Geschichte für drei Jahre in die Opposition. Nicht selten hat die speziell japanische Version der Demokratie wie die Hauptursache der Stagnation des Landes ausgesehen. Heute gibt sie dem Land jedoch wieder einen gesunden, richtungweisenden Zukunftssinn und gleichzeitig hinreichend Sicherheit, dass sich die stark ermächtigte Regierung tatsächlich auf die Arbeit im Sinne ihres Mandats konzentriert – statt sich in umstrittenen und möglicherweise unproduktiven ideologischen Experimenten zu verzetteln.

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