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"Mildere Rezession als vor drei Jahren in der Eurozone"

Dr. Daniel Hartmann, Senior Analyst Economics des Anleihemanagers Bantleon
Dr. Daniel Hartmann, Senior Analyst Economics des Anleihemanagers Bantleon

Die Abkühlung der Weltwirtschaft und die EUR-Staatsschuldenkrise treffen die Eurozone mit voller Wucht. Während Deutschland an einer Rezession vorbeischrammen dürfte, müssen Griechenland, Italien und Portugal mit einer spürbaren und Spanien sowie Frankreich mit einer milden Rezession rechnen, meint Dr. Daniel Hartmann, Wirtschaftsanalyst bei Bantleon.

13.10.2011, 14:22 Uhr

Redaktion: mak

Herr Dr. Hartmann, was sind die Gründe für die zweite Wachstumskrise innerhalb kürzester Zeit?

Dr. Daniel Hartmann: Eine wesentliche Rolle spielt wie immer das weltwirtschaftliche Umfeld. Vor allem die asiatische Konjunkturlokomotive hat in den vergangenen Monaten Dampf abgelassen. Im Zuge dessen verringerte sich das Exportwachstum der Eurozone in Richtung Asien von über 30 Prozent Mitte 2010 auf nicht einmal mehr 10 Prozent Mitte 2011. Der Tiefpunkt dürfte damit aber noch nicht erreicht sein – wir erwarten die globale Trendwende frühestens Anfang 2012. Davon betroffen sind nicht zuletzt die deutschen Unternehmen, die sich zu Jahresbeginn mit Blick auf den Asienabsatz noch euphorisch zeigten. Inzwischen haben sich die Exportperspektiven jedoch spürbar eingetrübt. Der nachlassende Schwung in Deutschland hat schwerwiegende Konsequenzen für die gesamte Eurozone. Für die darbenden Peripherieländer war der Importsog aus Deutschland in den vergangenen Quartalen eine wichtige Stütze, die jetzt wegzubrechen beginnt.

Und wie sieht es mit eigenen Problemen aus?

Mehr als in der Vergangenheit spielen für den aktuellen Abschwung auch hausgemachte Probleme eine Rolle. An vorderster Stelle ist die schwelende Staatsschuldenkrise zu nennen. Die damit verbundenen Hiobsbotschaften und politischen Auseinandersetzungen haben Unternehmen sowie Verbraucher verunsichert und deren Investitions- und Konsumentscheidungen negativ beeinflusst. Darüber hinaus mussten zahlreiche Eurostaaten auf Druck der Märkte ihre Anstrengungen zur Reduzierung ihrer öffentlichen Budgetdefizite nochmals intensivieren. Dies galt ausser für Spanien, Portugal und Griechenland insbesondere für Frankreich und Italien. Insgesamt nimmt der Restriktionsgrad der EUR-Fiskalpolitik im nächsten Jahr nicht ab, sondern weiter zu. Die ohnehin im Gang befindliche Abwärtsspirale erhält dadurch einen zusätzlichen Impuls.

Welche Rolle spielen die Banken?

Der dritte Kanal, über den die EUR-Staatsschuldenkrise die zyklische Dynamik belastet, sind die Finanzierungskonditionen. Das gegenseitige Misstrauen in der Branche hat zuletzt wieder fast die Ausmasse von Ende 2008 angenommen. Immer mehr Institute geraten dadurch in Refinanzierungsschwierigkeiten. Betroffen sind neben den Banken der Peripherieländer wegen ihres starken Engagements in PIIGS-Staatsanleihen vor allem französische Banken. Die realwirtschaftlichen Folgen des erneuten Finanzmarktstresses sind nicht zu unterschätzen. So zeigen bereits die Kreditdaten vom Sommer, dass sich die Banken bei Wohnungsbau- und Unternehmenskrediten wieder stärker zurückhalten.

Wie stark wird die Rezession in der Eurozone ausfallen?

Die Rezession dürfte deutlich milder ausfallen als vor drei Jahren – unter anderem weil sich kein dramatischer globaler Wachstumseinbruch abzeichnet und in der Eurozone weniger makroökonomische Ungleichgewichte bestehen – etwa am Immobilienmarkt. Wir rechnen deshalb im 4. Quartal 2011 und im 1. Quartal 2012 lediglich mit einem leicht schrumpfenden Bruttoinlandsprodukt. Ab dem Frühjahr 2012 gehen wir von einer weltwirtschaftlichen Stabilisierung aus, welche die Basis für eine konjunkturelle Belebung in der Eurozone darstellen sollte.

Und wie wird sich die deutsche Wirtschaft entwickeln?

Deutschland sollte an einer Rezession vorbeischrammen. Hier rechnen wir lediglich im 4. Quartal 2011 im Zuge einer Lagerkorrektur mit einem Rückgang in der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung. Ansonsten bleiben die fundamentalen Rahmenbedingungen freundlich. Die Arbeitslosigkeit sollte bestenfalls kurzfristig zulegen, die Realeinkommen der Haushalte dürften sich – im Gegensatz zu den anderen Ländern der Eurozone – 2012 deutlich im positiven Bereich bewegen, die Fiskalpolitik ist neutral ausgerichtet und die Bauwirtschaft erhält vom niedrigen Zinsniveau und dem in den Vorjahren aufgelaufenen Nachholbedarf Rückenwind. Bereits im 2. Halbjahr 2012 dürfte das Bruttoinlandsprodukt wieder mit der Potentialrate in Höhe von etwa 0,4 Prozent pro Quartal wachsen.

Wie wird sich die EZB angesichts dieser Entwicklung in der Eurozone verhalten?

Wir gehen davon aus, dass die EZB im Zuge der sich weiter abschwächenden Konjunktur die Zinsen weiter senken wird. Im November/Dezember rechnen wir mit einer ersten Leitzinssenkung auf 1,25 Prozent, der Anfang nächsten Jahres eine weitere auf 1,00 Prozent folgen sollte.

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