Yves Longchamp, Head of Research bei ETHENEA Independent Investors (Schweiz)
Die USA und Europa verzeichnen weiterhin ein unterschiedlich starkes Wirtschaftswachstum. Die Frage ist: Wird sich daran in naher Zukunft etwas ändern? Yves Longchamp von ETHENEA geht dieser Frage im aktuellen Marktkommentar nach.
20.05.2015, 08:47 Uhr
Redaktion: dab
"Im April schlugen sich enttäuschende Nachrichten in den US-Wirtschaftsdaten nieder1. Den Beginn bildeten die Beschäftigungsstatistiken Anfang des Monats, die einen monatlichen Anstieg um lediglich 126'000 ergaben, etwa die Hälfte des Stellenaufbaus in den vorherigen zwölf Monaten. Den Abschluss markierten die Ende des Monats veröffentlichten BIP-Daten, wonach die US-Wirtschaft im ersten Quartal des Jahres ein Wachstum von gerade mal 0,2 % aufwies.
Zwar rechnete man durchaus mit einer Abschwächung der US-Konjunktur im Winter, doch nicht in dieser Grössenordnung. Verantwortlich hierfür waren unter anderem Schneestürme, Streiks der Hafenarbeiter an der Westküste, niedrige Ölpreise und ein starker US-Dollar, der den Exporten schadete.
Anleger fragen sich nun: Ist diese Abschwächung temporär und wird die Fed weiterhin in der Lage sein, in diesem Zyklus erstmals die Zinsen zu erhöhen? Das Statement des Offenmarktausschusses welches am gleichen Tag wie die enttäuschenden BIP-Daten publiziert wurde und im Grunde aussagt, dass die Verlangsamung vorübergehend ist sorgte in diesem Zusammenhang für zusätzliche Verwirrung. Damit bleibt die Tür für eine geldpolitische Straffung in der zweiten Jahreshälfte oder gar Anfang Juni weit offen.
Unserer Einschätzung nach dürfte die US-Konjunktur in den kommenden Monaten wieder anziehen. Berücksichtigt man eine Vielzahl von Indikatoren, dann erscheint ein Abschwung unwahrscheinlich, auch wenn die Risiken einer länger andauernden Schwäche durchaus zugenommen haben. So wächst am Arbeitsmarkt fortlaufend die Anzahl offener Stellen, während die Anzahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe rückläufig ist und die Löhne leicht steigen.
Der private Verbrauch, Hauptmotor des Wirtschaftswachstums in den USA, geriet im ersten Quartal ins Stocken. Doch das Verbrauchervertrauen nimmt zu und die frei verfügbaren Einkommen sind weiter angestiegen. Demgegenüber gingen die Investitionen, bedingt durch die niedrigen Ölpreise und den damit verbundenen Investitionseinbruch in der Schieferölindustrie um 29,6 % (annualisiert gegenüber dem Vorquartal), im ersten Quartal zurück. Die Exporte schwächten sich im Einklang mit dem starken US-Dollar deutlich ab. Im Gegensatz zu den anderen BIP-Komponenten dürften die Exporte die Wirtschaft belasten, solange der Dollar stark bleibt.
Alles in allem trübt sich der Ausblick für die US-Konjunktur ein. Den Markterwartungen zufolge dürfte die erste Zinsanhebung eventuell erst gegen Ende des Jahres stattfinden. Schaut man über diese Eintrübung hinweg, bleiben wir dennoch zuversichtlich und gehen von einer Zinserhöhung zu einem früheren Zeitpunkt aus.
Auf der anderen Seite des Atlantiks verbesserte sich hingegen allmählich die Wirtschaftslage. Die vier grossen Volkswirtschaften der Eurozone Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien, die rund 75 % der Gesamtwirtschaft ausmachen, haben kaum Neues zu berichten. Die Binnennachfrage (Konsum und Investitionen) gewinnt an Fahrt und eine moderate Verbesserung am Arbeitsmarkt hat zu höherem Verbrauchervertrauen beigetragen. Zusätzlich hat sich bei langlebigen Gütern wie Autos die Nachfrage stark aufgestaut. Die Kombination aus einem besseren Ausblick und den dank der quantitativen Lockerung (QE, Quantitative Easing) günstigeren Finanzierungsbedingungen dürfte die Investitionstätigkeit weiter ankurbeln. Bei der letzten Pressekonferenz der Europäischen Zentralbank machte Präsident Mario Draghi zudem unmissverständlich klar, dass das QE-Programm bis September 2016 anhalten soll, womit auf absehbare Zeit ausreichend Liquidität und lockere geldpolitische Bedingungen gewährleistet wären.
Die meisten Fortschritte sind im boomenden Spanien zu erkennen, während sich die Aussichten für Italien und Frankreich kaum verbessert haben. Die Frühindikatoren zu Konsum und Investitionen deuten auf eine weitere Konsolidierung hin. In Deutschland scheint unterdessen die Binnennachfrage stetig im gleichen Tempo zuzunehmen wie in den letzten Quartalen.
Nur in Griechenland haben sich die wirtschaftlichen Bedingungen erneut verschlechtert, nachdem die Wirtschaft letztes Jahr kurzzeitig aus ihrer seit sechs Jahren anhaltenden Depression ausbrechen konnte. Die politische Ungewissheit hat die zaghafte Erholung im Keim erstickt und liess das Land wieder in eine Rezession abrutschen. Die Zukunft Griechenlands schwankt zwischen Grexit (Ausstieg Griechenlands aus der Wirtschafts- und Währungsunion) und Graccident (unvorhergesehenes Ereignis, das Griechenland weiteren Risiken aussetzen und das Land in den Zahlungsausfall drängen würde). Was auch immer passieren mag: Wir gehen davon aus, dass die restlichen Volkswirtschaften der Eurozone vor einer Ausweitung der griechischen Misere relativ gut geschützt sind. Trotz der Probleme in Griechenland gewinnt die Konjunkturerholung in der Eurozone an Dynamik."
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