Investitionsmöglichkeiten nach dem Brexit

Welchen Kurs sollen Investoren nach dem Brexit einschlagen?
Welchen Kurs sollen Investoren nach dem Brexit einschlagen?

Nach dem "Leave"-Votum der Briten erwarten die Experten von Pioneer Investments kurzfristig ein Risk-Off-Szenario an den Märkten. Sie glauben, dass die Zentralbanken bereit zum Handeln sind und ihren unmittelbaren Fokus auf die Stabilisierung der Märkte legen und sie gegebenenfalls die nötige Liquidität bereitstellen. Die Ereignisse werden risikotragende Anlagen mittelfristig belasten.

24.06.2016, 13:33 Uhr

Redaktion: sif

Was sind Ihrer Meinung nach die Auswirkungen des Brexit-Votums auf das makroökonomische Szenario und die politischen Risiken?

Matteo Germano, Global Head of Multi Asset Investments: Die Entscheidung der Briten hat grosse Auswirkungen auf das geopolitische Gleichgewicht, da sie einen Präzedenzfall in der EU schafft. Der Austritt Grossbritanniens könnte in der Tat in anderen Ländern zu ähnlichen Initiativen wie dem Referendum im Vereinigten Königreich führen. Die Wahlen in Spanien und das Verfassungsreferendum in Italien werden die nächsten Gradmesser für das Ausmass der politischen Unzufriedenheit in der Region sein. Im Hinblick auf die makroökonomischen Entwicklungen könnte der Sieg des Leave-Lagers die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass die entwickelte Welt in einem Szenario niedrigen Wachstums und niedriger Inflation gefangen bleibt. Angst und anhaltende Ungewissheit in Europa könnten in der Tat das Vertrauen stören und die Wirtschaft bremsen. Ein gutes Management in der Übergangsphase, die Jahre dauern wird, wird der Schlüssel zur Vermeidung einer tieferen Krise sein, die die globale Wirtschaft empfindlich treffen könnte.

Aus einer US-Perspektive – was werden die Auswirkungen des Referendums sein?

Ken Taubes, Head of Investement Management U.S.: Wir gehen davon aus, dass die kurzfristige Auswirkung des Votums wahrscheinlich eine gestiegene Marktvolatilität sein wird sowie eine weitere "Flucht in Qualität". Wir sehen aktuell einen Verfall des britischen Pfundes, und eine Rally des US-Dollar. US-Assets dürften ebenso eine Rally erfahren, insbesondere US-Treasuries, während es bei US High Yield- und bei Emerging Markets-Werten einen Ausverkauf geben dürfte. Das ist hauptsächlich getrieben von der Annahme, dass sich in einem risikoaversen Umfeld die Öl-Nachfrage verringern wird. Aus einer gesamtwirtschaftlichen Perspektive sollten die negativen Auswirkungen des Brexit auf die US-Wirtschaft im Vergleich zu Grossbritannien und Europa stärker begrenzt sein. Wir erwarten jedoch eine zurückgehende globale Nachfrage aufgrund von höherer Unsicherheit und Risikoaversion. Während die Spillover-Effekte (indirekte Auswirkungen) auf die US-Wirtschaft noch unklar sind, ist es möglich, dass bei einer signifikanten wirtschaftlichen Verschlechterung die Entscheidungsgremien der Fed andere geldpolitische Optionen in Betracht ziehen könnten.

Was sind die Hauptauswirkungen des Austrittsvotums für europäische Anleihen?

Tanguy Le Saout, Head of European Fixed Income: Wir erwarten, dass der Brexit zu einer Rally in deutschen Bundesanleihen führen wird, einhergehend mit einer "Underperformance" anderer Märkte, insbesondere der Peripheriemärkte wie Italien oder Spanien. Ein drastisches "Risk Off"-Umfeld, begleitet von sich ausweitenden Spreads in den Peripherie- und Credit-Märkten, könnte die Zentralbanken zu Interventionen veranlassen. Deren unmittelbarer Fokus wird darauf liegen, die Märkte zu stabilisieren, und sie sind bereit, die Märkte mit Liquidität zu versorgen. Wir gehen davon aus, dass geldpolitische Anpassungen stattfinden werden, zunächst durch Massnahmen wie "Credit Easing" (Kreditlockerungen) und Ausweitung des Anleihen-Rückkaufprogramms. Letztlich könnte es aber auch zu Zinssenkungen kommen. Auf der Währungsseite gehen wir davon aus, dass der US-Dollar und der japanische Yen zu denjenigen Währungen zählen werden, die vom "Risk Off"-Umfeld profitieren könnten.

Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Auswirkungen der Abstimmung für den europäischen Aktienmarkt?

Diego Franzin, Head of European Equities: Wir erwarten, dass der europäische Markt wieder in einen Risk-Off-Modus zurückkehren wird, nachdem zu Beginn der Woche eine gewisse Erleichterung eingetreten ist. Der britische Markt dürfte aller Voraussicht nach unter einer Phase extremer Volatilität leiden, da die Investoren die möglichen Auswirkungen dieses Ereignisses erst verdauen müssen. Jedoch dürfte sich der mögliche Abwärtsdruck des britischen Pfunds für die Gewinnaussichten von Unternehmen in Grossbritannien mit überwiegend internationalem Charakter tendenziell positiv auswirken. Wir erwarten, dass dieses Risk-Off-Szenario auf ganz Europa abstrahlt, wobei Unternehmen mit auf die Eurozone ausgerichteten Geschäftsmodellen (z.B. Finanzdienstleistungen) am meisten davon betroffen sein dürften. Der Grund dafür sind die unbekannten und gleichzeitig weitreichenden Auswirkungen der Entscheidung auf die Wirtschaft der Eurozone. Vor diesem Hintergrund bleiben wir bei einer vorsichtigen Haltung hinsichtlich der Marktentwicklung und konzentrieren uns auf Unternehmen mit einem überlegenen Geschäftsmodell, während wir bei Unternehmen mit einem auf Grossbritannien ausgerichteten Geschäftsmodell vorsichtig sind.

Was sind die wichtigsten Auswirkungen der Abstimmung aus Multi-Asset-Perspektive?

Matteo Germano: Wir meinen, dass es nunmehr wahrscheinlicher ist, dass die europäische Wirtschaft in einem Szenario niedrigen Wachstums und niedriger Inflation gefangen bleibt. Vor diesem Hintergrund bevorzugen wir eine Risk-Off-Haltung, indem wir sogenannte „safe haven“-Vermögenswerte wie US-Teasuries favorisieren. Wir sind der Ansicht, dass Gold eine natürliche Absicherung sein könnte, sofern die Wahrscheinlichkeit einer säkularen Stagnation steigt. Hinsichtlich Währungen sehen wir den Schweizer Franken als den natürlichen Gewinner gegenüber dem britischen Pfund, da dieser als sicherer Währungshafen gilt. Wir erwarten auch, dass der US-Dollar den Euro outperformen könnte – zum einen aus einer Risikoaversion aber auch aufgrund der weiterhin sehr lockeren Geldpolitik der EZB.

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