Indien: 100 Tage Premierminister Modi

Ajay Argal, Investment Manager bei Baring Asset Management
Ajay Argal, Investment Manager bei Baring Asset Management

Die neue Regierung um Premierminister Narendra Modi, der mittlerweile 100 Tage im Amt ist, hat bedeutende Reformen vorangetrieben und das Wirtschaftsvertrauen im Land gestärkt. Auch die konjunkturelle Lage verbessert sich zunehmend. Lesen Sie mehr im Marktkommentar von Ajay Argal, Investment Manager des Baring India Fund.

10.09.2014, 10:18 Uhr

Redaktion: jod

Die Regierung des indischen Premierministers Narendra Modi befindet sich mittlerweile seit 100 Tagen im Amt und die Entwicklung des neuen Staatsführers, für den die Erwartungen so hoch angesetzt wurden, wird einer genauen Prüfung unterzogen. Der Wahlslogan von Premierminister Modi „Gebt mir 60 Monate“ dürfte einen gerechteren Zeitraum für die Messung seines Erfolges nahelegen. Nichtsdestotrotz hat er Barings Ansicht nach bedeutende Reformen mit einem entschlossenen Führungsstil vorangetrieben, von dem letztendlich sein längerfristiger Erfolg abhängig sein wird.

Ein Beispiel ist das schlichte Beharren des Premierministers darauf, dass Minister und Verwaltungsbeamte pünktlich sind und Arbeitstage mindestens den üblichen Bürozeiten entsprechen. Im Zuge der vielen Veränderungen können solche Dinge untergehen, Barings Ansicht ist dies jedoch der richtige Weg, um die bürokratische Trägheit zu bekämpfen sowie die Regierungsführung und Verwaltung zu verbessern.

Ausserdem möchte Baring eine weitere kleine aber bedeutende Veränderung hervorheben, die unlängst unter seiner Führung wirksam wurde: Die Übertragung einiger Regierungsprozesse in ein Online-Format. Dies fördert eindeutig die Effizienz und auch die Transparenz und Verantwortlichkeit, da somit beispielsweise Verzögerungen bei bestimmten Arten von Anträgen nun erklärt werden müssen.

Barings Meinung nach zeigt die umgehende Reaktion der Regierung auf die Entscheidung des Obersten Gerichts in Indien, dass das System der vergangenen 20 Jahre zur Verteilung von Kohleblockkonzessionen wohlmöglich illegal war, beispielhaft diese neue von Reaktions- und Entschlussfreudigkeit geprägte Regierungshaltung. Die Gerichtsentscheidung führte zu einer enormen Unsicherheit für die in der Branche investierten Privatunternehmen. Die Regierung vertrat die Auffassung, dass dort, wo die Produktion bereits im Gange ist, Konzessionen nicht zurückgezogen werden sollten und bemühte sich ausserdem für eine schnelle Regelung der Angelegenheit.

Was die Wirtschaft anbelangt, ist die Haltung der neuen Regierung zu den Subventionen für Dieselkraftstoff ebenso aussagekräftig, wie die „Mindeststützpreise“ (Minimum Support Prices), von denen die Landwirtschaftsbetriebe profitieren. Die Veränderungen bei der Dieselsubvention werden zu einer geringeren Belastung der Steuermittel und zu einer Reduzierung des Inflationsdrucks beitragen. Aufgrund steigender Dieselpreise konnte die Regierung die Bezuschussung zurückziehen. Mit Blick auf Agrarerzeugnisse, bei denen Landwirte über Jahre hinweg grosszügig unterstützt wurden, beschloss die Regierung eine Erhöhung ihres Programms der Mindeststützpreise, wenn auch auf einem Niveau, das sich unterhalb der erwarteten Inflationsrate befindet.

Diese Veränderungen sind sowohl symbolisch als auch materiell wichtig, da Indien mit einer hohen Inflation zu kämpfen hat. Das ist insbesondere bei Nahrungsmitteln der Fall, die mehr als 45% des Verbraucherpreisindex ausmachen. Sowohl Nachfrage- als auch Angebotsfaktoren sehen sich der Herausforderung durch Inflation gegenüber. Einerseits sorgte der zunehmende Wohlstand für einen starken Anstieg der Nachfrage, da private Haushalte mehr Geld für Nahrungsmittel, insbesondere für nährstoffreichere Lebensmittel, ausgeben. Andererseits gibt es strukturelle Engpässe bei Angebot und Verteilung. Die kleinen Landwirtschaftsbetriebe in Indien profitieren nicht von Skaleneffekten und die kollektive Reaktion auf Veränderungen der Nachfrage ist schleppend. Was die Verteilung angeht, blockieren Bestimmungen zu Entfernungen zwischen Produktionsstätten und Verteilungszentren im Land eine höhere Effizienz. Dies ist ein Bereich, in dem die Regierung Reformen vorantreiben könnte.

Die Inflationsproblematik verbessert sich und die Reserve Bank of India hält den Zinssatz bisher auf einem vergleichsweise hohen Niveau, um den Preisanstieg in Schach zu halten. Somit herrscht bei der Geldpolitik also eine gewisse Beweglichkeit, um den Zinssatz bei Bedarf zu senken. Baring geht allerdings nicht von einer Zinssenkung durch die Zentralbank innerhalb der nächsten sechs Monate aus, da die Preise, angepasst an die anziehende Wirtschaftsaktivität, weiter beobachtet werden müssen.

Insgesamt hat die Wahl von Premierminister Modi Barings Überzeugung nach das Vertrauen in die Wirtschaft gestärkt. Die aktuellen BIP-Daten zeigen einen stabilen Wachstumstrend, der Anstieg von 5,7% der jährlichen Wachstumsrate erfolgt auf das höchste Quartalsniveau seit neun Quartalen. Man sollte jedoch auch nicht ausser Acht lassen, dass eine Verbesserung der Wirtschaftstätigkeit bereits in Gang war, bevor die Bharatiya Janata Party ihren Erdrutschsieg verzeichnete, der dem neuen Premierminister zur Macht verhalf. Vor dem Amtsantritt von Modi befand sich die Wirtschaft in einer verlängerten Stagnationsphase, die jedoch Anzeichen eines bevorstehenden Aufschwungs erkennen liess, welcher dann unter seiner Führung fortgesetzt wurde.

Baring geht davon aus, dass das Wirtschaftswachstum in naher Zukunft anhaltend kräftig ausfallen wird, was den indischen Aktienmarkt unterstützen dürfte, obwohl der MSCI India Index seit Jahresbeginn bereits um 29,2%* in USD gestiegen ist. Wichtige Wirtschaftsindikatoren wie der Pkw-Absatz deuten auf eine stärkere Dynamik der Aktivität hin, ebenso wie der Verkauf von Nutzfahrzeugen, dessen Rückgangsrate sich allmählich verlangsamt. Gleichzeitig stieg im Juli die Zementproduktion um 16% im Vergleich zum Vorjahr und liefert damit ein deutliches Anzeichen dafür, dass es voran geht.

Die kurzfristigen Aussichten für Indien sind Barings Einschätzung nach überzeugend, genauso wie der langfristige Ausblick. Unserer Ansicht nach tritt Indien derzeit in eine neue Wachstumsphase ein, die über die nächsten drei bis fünf Jahre anhalten wird. Wenn die Konjunkturentwicklung weiterhin stark bleibt und sich die Inflationslage anhaltend verbessert, sollten kräftige Zuwächse bei den Unternehmensgewinnen zu sehen sein, die zur Unterstützung der Erträge beitragen – und hierbei wurde noch nicht einmal die Möglichkeit einer Neubewertung indischer Aktien berücksichtigt.

Mit Blick auf ihre Strategie konzentriert sich Barings nach wie vor auf Unternehmen, die von einem Aufschwung der Wirtschaftstätigkeit profitieren dürften. Hierzu zählen Anlagechancen im Finanz-, Industrie- und Basiskonsumgütersektor. Obwohl diese Bereiche in den vergangenen Monaten ein gewisses Mass an Volatilität aufwiesen, da Anleger in defensivere Branchen wechselten, behält Barings ihre Strategie bei und ist davon überzeugt, dass sie positive Ergebnisse hervorbringen wird, während Indien weiterhin eine stärkere wirtschaftliche und effizientere politische Führung erfährt.

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