Gute Aussichten für einen anhaltenden Aufschwung

John Greenwood, Chefökonom Invesco
John Greenwood, Chefökonom Invesco

John Greenwood, Chefökonom bei Invesco, erklärt, warum kurzfristige politische oder protektionistische Schocks den globalen Aufschwung kaum stoppen werden.

10.05.2017, 11:15 Uhr

Redaktion: jho

Wachsende Zweifel an der Fähigkeit des US-amerikanischen Präsidenten, seine geplanten Wachstumsmassnahmen durchzusetzen, haben die „Trump-Reflation“-Rally gestoppt, die die Aktienmärkte der Industrie- und Schwellenländer in den letzten vier Monaten beflügelt hat. Der Chefökonom von Invesco, John Greenwood, hält dies jedoch für einen lediglich temporären Dämpfer. Letztlich hänge die langfristige Wertentwicklung der Aktienmärkte deutlich stärker von der weiteren Konjunkturentwicklung in den USA ab – und diese mache Hoffnung auf einen ausgedehnten Aufschwung, der noch mehrere Jahre dauern könnte, schreibt er in seinem vierteljährlichen Markt- und Wirtschaftsausblick für Q2 2017. Aufgrund der Grösse und Dominanz der US-amerikanischen Wirtschaft sowie ihres Einflusses auf die Kredit-, Aktien-, Immobilien- und sonstigen Finanzmärkte der Industrie- und Schwellenländer sei das von enormer Bedeutung für die Weltwirtschaft insgesamt.

„In jedem Konjunkturzyklus ist die Wirtschaftsaktivität bzw. die Erwartung an die Entwicklung der Wirtschaftsaktivität der fundamentale Treiber des Werts von Aktien und Immobilien“, sagt Greenwood. „In dieser Hinsicht hat Präsident Trump mit seinem konjunkturellen Erbe enormes Glück.“ Die in der Krise von 2008-09 überschuldeten Banken und privaten Haushalte hätten ihre Finanzen grösstenteils wieder in Ordnung gebracht, die Inflation sei niedrig und die Fed habe damit beginnen können, die kurzfristigen Zinsen wieder auf ein normaleres Niveau zurückzuführen. Damit gibt es nach Ansicht des Chefökonoms von Invesco derzeit kaum etwas, das den aktuellen konjunkturellen Aufschwung in den USA gefährden könnte.

Die entscheidende Frage sei, ob das Geld- und Kreditwachstum nachhaltig auf dem Niveau von 2015-16 – rund 6-8% p.a. – gehalten werden könne. Wenn es der Fed, den Geschäftsbanken und den Kapitalmärkten gemeinsam gelänge, ein derartiges Geld- und Kreditwachstum aufrechtzuerhalten, werde die Wirtschaft die schrittweise Zinsnormalisierung leicht verkraften können. Auch wenn die Anleihen- und Aktienmärkte kurzfristig heftig auf politische oder protektionistische Schocks reagieren könnten, stünde einem mehrjährigen Aufschwung der US-amerikanischen und auch der globalen Wirtschaft bis zum Erreichen des konjunkturellen Höhepunktes dann nichts entgegen. Greenwood rechnet in den USA 2017 und 2018 mit einer Beschleunigung des realen BIP-Wachstums auf 2,3% bzw. 2,6%.

Weniger optimistisch für Eurozone
In der Eurozone beherrscht die Politik weiter die Schlagzeilen – vor dem Hintergrund langwieriger Brexit-Verhandlungen fanden hier die französischen Präsidentschaftswahlen statt und steht im September die deutsche Bundestagswahl an. Greenwood zufolge ist der kurzfristige Wachstumsausblick in der Eurozone weiter gedämpft und auch langfristig hält er eine Rückkehr auf einen robusten Wachstumspfad für alles andere als absehbar. Das reale BIP-Wachstum liege stabil bei rund 1,5-1,7%. Die Gesamtinflationsrate sei zwar im Februar vorübergehend bis auf 2% gestiegen, dürfte in den nächsten Monaten aber wieder zurückgehen. Der Chefökonom von Invesco geht davon aus, dass die Eurozone 2017 um 1,6% wächst.

Greenwood zufolge wird das britische Pfund auf jedes positive Zwischenergebnis der schwierigen Brexit-Verhandlungen zwischen Grossbritannien und der Europäischen Union (EU) genauso unmittelbar reagieren wie auf jeden Verhandlungsrückschlag. Dementsprechend volatil werde sich die Währung in den nächsten zwei Jahren zeigen. Die durch die Abwertung des Pfundes importierte Inflation werde die realen Verbraucherausgaben in Grossbritannien dämpfen, während die allgemeine Verunsicherung über die Modalitäten des Austritts die ausländischen Direktinvestitionen in Grossbritannien bremsen werde. Die britischen Exporteure profitieren jedoch zunehmend vom schwächeren Pfund und die britische Wirtschaft hat sich seit dem Brexit-Votum durchweg besser entwickelt als erwartet. Als wichtigsten Grund dafür verweist Greenwood auf das stabile Geld- und Kreditwachstum. „Bislang spricht viel dafür, dass die Investitionen robust bleiben, solange die Wirtschaft weiter wächst und die Währungsabwertung die Exporte beflügelt“, sagt er und stellt Grossbritannien ein reales BIP-Wachstum von 1,9% für 2017 in Aussicht.

USA geben die wichtigsten Impulse
In Japan entwickeln sich der inländische Konsum und die inländischen Investitionen weiter nur schleppend. Die Abwertung des Yen hat die japanische Exportwirtschaft und die Unternehmensgewinne gestärkt. Dass die höheren Gewinne über höhere Löhne auch an die Arbeiter weitergegeben werden, ist aber Greenwood zufolge kaum zu erwarten. Die „Abenomics“-Politik, mit der das Wachstum angekurbelt werden soll, habe noch immer nicht zu einer deutlichen Belebung der Binnenwirtschaft geführt und die Inflation sei mit 0,3% immer noch sehr niedrig. Greenwood führt das auf Konstruktionsfehler im QE-Programm der Bank of Japan zurück, das dadurch zu keinem nennenswerten Geld- oder Kreditwachstum geführt hat. Der Chefökonom von Invesco rechnet 2017 in Japan mit einem realen BIP-Wachstum von 1,1% und einem durch die Yen-Abwertung bedingten Anstieg der Gesamtinflationsrate auf 1,0%.

Angesichts der abrupten Verlangsamung des inländischen Kreditwachstums im zurückliegenden Jahr und der Verschuldungsproblematik in China hält Greenwood eine stetige Erholung der chinesischen Wirtschaft über die nächsten Monate für unwahrscheinlich. Dadurch sei auch der Ausblick für die rohstoffexportierenden Schwellenländer bis Jahresende 2017 bestenfalls gedämpft bleiben. Die kleineren, industriell geprägten ostasiatischen Volkswirtschaften mit ihrer starken Einbindung in die regionalen, mit China verbundenen Lieferketten würden deutlich stärker von einer Verbesserung der Exporte durch den anhaltenden Aufschwung in den USA abhängen als von einer Aufhellung im Inland. „Auch die Eurozone, Japan und Grossbritannien werden zunehmend zur Verbesserung der Endnachfrage beitragen, die von den USA angestossen wird. Letztlich gehen die wichtigsten Impulse in diesem Prozess aber weiter von den USA aus“, so Greenwood.

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