Grosse Herausforderungen für Brasiliens Hoffnungsträger
Marina Zech, Financial Economist bei LGT Capital Partners
Das Rennen um die Präsidentschaft in Brasilien geht in die zweite Runde. Wie die zwischenzeitliche Rally am Aktienmarkt bei sinkenden Umfrageergebnissen für die amtierende Präsidentin gezeigt hat, präferieren die Marktteilnehmer klar einen Wechsel an der Regierungsspitze. Derzeitige Umfragen deuten auch auf einen solchen hin, aber eine schwächelnde Wirtschaft und strukturelle Defizite stellen den zukünftigen Präsidenten vor grosse Herausforderungen.
15.10.2014, 10:54 Uhr
Redaktion: dab
Die Präsidentschaftswahl in Brasilien hat für einige Überraschungen gesorgt. Mit dem Tod des Präsidentschaftskandidaten Eduardo Campos nahm der Wahlkampf eine völlig neue Wendung. Marina Silva, welche die Kandidatur von Campos übernahm, mischte die Umfrageergebnisse kräftig auf. Kurz vor der Wahl kippten diese dann aber doch zu Gunsten des Oppositionskandidaten Aécio Neves. Mit einem Stimmenanteil von lediglich 21.3% unterlag Silva deutlich, Neves erhielt 33.6% der Stimmen, während Amtsinhaberin Dilma Rousseff 41.6% der Stimmen für sich gewinnen konnte.
Neves als glaubwürdiger Herausforderer Rousseffs mit Unterstützung der drittplatzierten Silva Aus den neusten Umfragen geht der Herausforderer Neves als Wahlsieger hervor. Doch unter Berücksichtigung der Fehlerspanne solcher Umfragen, Unentschlossenen und Enthaltungen relativiert sich dieses Ergebnis etwas. Auch dürfte Rousseffs effektive Marketing-Maschinerie dem ehemaligen Gouverneur die Wahl erschweren. Bereits vor dem 1. Wahlgang führte Rousseff eine Negativ-Kampagne gegen ihre Mitstreiter, womit vor der 2. Runde eine Intensivierung dieser erwartet werden darf. Während Rousseffs Popularität primär auf einer sozialistischen Politik beruht, welche sich an die ärmeren Bevölkerungsschichten Brasiliens richtet, profitierte sie auch von den Regeln im Wahlsystem, welche die Amtsinhaberin mit einem vor dem 1. Wahlgang deutlich höheren Anteil an Sendezeit im Fernsehen und Radio begünstigten. In der Zeit bis zum 2. Wahlgang (am 26. Oktober) wird die Sendezeit jedoch zu gleichen Teilen an die beiden Kandidaten vergeben. Zusätzliche Unterstützung erhält Neves von der Drittplatzierten Silva. Im Gegenzug dazu hat er sich verpflichtet, gewisse Punkte ihres Wahlprogramms zu übernehmen.
Liberalere Absichten Neves berechtigen Hoffnung auf Veränderung Doch was ist von den beiden Kandidaten zu erwarten? Rousseff steht für eine stark distributive Sozialpolitik ein und lässt auch sonst dem Staat eine bedeutende Rolle in der Wirtschaft zukommen. Diese staatlichen Interventionen haben zu teilweise grossen Marktverzerrungen geführt. Neves hingegen gilt als liberaler. Zwar hat auch er eine Fortführung der Sozialpolitik versprochen, doch strebt er eine restriktivere Haushaltspolitik an, und auch die Bekämpfung der hohen Inflation steht auf seiner Agenda.
Die strukturellen Herausforderungen sind dennoch (zu) gross Die Hoffnung der Marktteilnehmer auf Veränderung ist also durchaus berechtigt. Doch das derzeit ökonomisch widrige Umfeld Brasiliens stellt beide Kandidaten vor grosse Herausforderungen. Lange hat Brasilien vom kreditfinanzierten Investitionsboom profitiert, abnehmende Kapitalzuflüsse aus dem Ausland und der Abbau staatlich subventionierter Kredite haben aber die negativen Folgen sinkender Rohstoffpreise intensiviert. Während die Inflation aufgrund grosser Infrastrukturdefizite strukturell hoch bleibt, leidet die Wirtschaft weiter unter der schwachen Konsumfreudigkeit und Investitionstätigkeit. Mit schwindendem konjunkturellem Antrieb dürfte es auch zunehmend schwierig werden, das hohe Fiskaldefizit zu verringern. Ob es Neves in diesem stagflationären Umfeld gelingen wird, das Steuer herumzureissen, bleibt somit fraglich. Die zunehmende Fragmentierung des Parlaments, welche die Parlamentsgeschäfte in den kommenden Jahren erschweren dürfte, stellt den Präsidentschaftskandidaten vor weitere Hürden. Es ist also besser, die Erwartungen tief zu halten.
Wahlgetriebene Rally am brasilianischen Aktienmarkt Nachdem der brasilianische Aktienindex, Ibovespa, seit Jahresbeginn bereits um knapp 12% zugelegt hat, sind brasilianische Aktien mittlerweile nicht mehr "günstig". Die brasilianischen Präsidentschaftswahlen scheinen zu einem binären Event am Aktienmarkt verkommen zu sein. Höchststände sind zwar noch nicht erreicht, doch der Rally fehlen die fundamentalen Gründe. Die Entwicklungen dürften folglich sehr volatil bleiben.
Die Aussichten für Brasiliens Wirtschaft bleiben düster Im Zuge des Rohstoffbooms im letzten Jahrzehnt zusammen mit äusserst kompetitiven Lohnkosten gelang es Brasilien, viel Kapital aus dem Ausland anzuziehen. Dies trieb nicht nur die Vermögenspreise in die Höhe, sondern auch die Verschuldung stieg markant an, womit das Land zunehmend von ausländischen Investoren und deren Devisen abhängig geworden ist. Als die Rohstoffpreise zu sinken begannen und folglich auch die Rohstoffexporte, bekamen die Produzenten den Druck mittlerweile unkompetitiver Löhne zu spüren. Infolgedessen nahmen auch die Kapitalzuflüsse ab, wobei die Abwertung des brasilianischen Reals den Inflationsdruck erhöhte. Hohe Zinsen setzten der schwächelnden Wirtschaft weiter zu. Mit dem Rückzug privater Investoren in den vergangen Jahren hat der Staat die entstandene Lücke mittels subventionierter Kreditvergabe auszufüllen versucht. Doch die ausufernden Staatsausgaben haben die Regierung gezwungen, eine mittlerweile etwas restriktivere Gangart einzuschlagen. Dies wiederum dämpft Konsum und Investitionen weiter. In Grafik 1 (Seite 2 im PDF) ist die Investitionsquote im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt (BIP) verschiedener Entwicklungsländer abgebildet. Dabei wird deutlich, dass Brasilien mit nur 17% deutlich den anderen BRIC-Staaten, aber auch kleineren Schwellenländern wie Indonesien oder Malaysia hinterherhinkt.
Hohe Abhängigkeit von Auslandskapitalflüssen Die hohe externe Anfälligkeit lässt sich am hohen Leistungsbilanzdefizit Brasiliens ablesen (PDF, Seite 2). Brasiliens externes Defizit ist mit 3.2% des BIP gegenüber den anderen BRIC-Staaten ausserordentlich hoch und lässt sich damit in die Gruppe der sogenannten Fragile 5 einordnen (Brasilien, Indonesien, Indien, Südafrika, Türkei). Falls es angesichts der erwarteten US-Zinswende zu erneuten Kapitalabflüssen aus den Schwellenländern kommt, dürften Preise brasilianischer Vermögenswerte, wie bereits schon im Mai 2013 nach Bernankes Tapering-Ankündigung, wieder unter Druck geraten.
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