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„Grexit“ für Euro und Griechenland?

Paul Brain, Leiter Anleiheninvestments bei Newton Investment Management, einer Boutique von BNY Mellon
Paul Brain, Leiter Anleiheninvestments bei Newton Investment Management, einer Boutique von BNY Mellon

Wäre ein „Grexit“ für den Euro und für Griechenland die beste Lösung? Paul Brain, Leiter Anleiheninvestments bei Newton Investment Management, einer Boutique von BNY Mellon, äussert sich im Marktkommentar zum möglichen Ausgang der laufenden Gespräche zwischen Griechenland und der Troika.

09.02.2015, 15:08 Uhr

Redaktion: ist

Nach der Wahl in Griechenland und dem Sieg der Spargegner scheint das Konfliktpotenzial zwischen den beiden zerstrittenen Lagern – der Syriza-Partei auf der einen und der Troika auf der anderen Seite – allmählich zu wachsen. Ein Kompromiss ist zwar möglich, aber kann es sich die neue Regierung wirklich erlauben, ihre Wahlversprechen zu brechen? Und kann die Troika tatsächlich der Vergabe weiterer vergünstigter Kredite an Griechenland zustimmen?

Wir sind bei den heiklen Diskussionen, die derzeit stattfinden, nicht zugegen und können deshalb auch nicht mit Sicherheit sagen, wie diese Gespräche letztlich ausgehen werden. Allerdings lassen sich einige eigentlich logische Schlussfolgerungen ziehen.

Zunächst einmal müssen wir uns die Frage stellen, wie es auf andere neue Parteien in ganz Europa wirken würde, wenn man den Griechen nachgeben würde. Eigentlich hat sich inzwischen ja die allgemeine Auffassung durchgesetzt, dass die nordeuropäischen Staaten mit harten Bandagen gegen die griechische Regierung vorgehen. Jüngste Äusserungen aus Madrid deuten allerdings darauf hin, dass mittlerweile jene Regierungen am meisten zu verlieren haben, die ihren Bürgern in der Vergangenheit entbehrungsreiche Sparprogramme zugemutet haben. Die wachsende Unterstützung, welche die Spargegner der linksgerichteten Podemos-Bewegung in Spanien inzwischen erfahren, sind ein Beleg für den zunehmenden Wunsch nach einem grundlegenden Wandel in diesen Ländern, die seit vielen Jahren mit einer hohen Arbeitslosigkeit zu kämpfen haben.

Worum man sich derweil in Nordeuropa Sorgen macht, ist der Mangel an Reformen in Staaten wie Frankreich und Italien. Schliesslich ist immer wieder betont worden, dass das neue QE-Programm der EZB nur in jenen Staaten umgesetzt werden soll, in denen Reformpläne fortgeführt werden.

Die Griechen nicht mehr zu unterstützen und sie dazu zu zwingen, ihrer eigenen Wege zu gehen (also aus dem Euro auszuscheiden und eine neue, eigene Währung einzuführen), kann sich für die übrigen Euro-Mitgliedstaaten jedoch als positiv erweisen und den Euro womöglich stärken.

Ein Ausscheiden Griechenlands scheint also die ultimative Schlussfolgerung zu sein. Allerdings wird wohl niemand davon ausgehen, dass ein solcher Übergang leicht werden würde. Die Regierung würde zahlungsunfähig werden und könnte ihre in Euro denominierten Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen. Damit hätte die Troika genau dasselbe Problem wie derzeit auch. Gleichzeitig würde in Griechenland eine neue, abgewertete Währung eingeführt werden, die erneute Investitionen in inländische Vermögenswerte anziehen könnte. Das Bankensystem würde jedoch Unterstützung benötigen (die braucht es aber auf jeden Fall), und die EU sowie der IWF würden Notfall-Finanzierungen für griechische Kreditinstitute zur Verfügung stellen müssen (was aber ebenfalls bereits jetzt der Fall ist).

Eine Idee der neuen Regierung ist ein Schuldenerlass durch die offiziellen Institutionen, die den Grossteil der Gläubiger repräsentieren. Ein solcher Schuldenschnitt ist jedoch unwahrscheinlich, da die Kredite Griechenlands bereits verlängert und die durchschnittlichen Zinszahlungen gesenkt worden sind. Die noch ausstehenden Verbindlichkeiten sowie der Rückgang des BIP (das seit dem Ausbruch der Krise um 25% gesunken ist) haben jedoch zur Folge, dass sich die Verschuldung nach wie vor auf nicht mehr tragbare 175% des BIP beläuft (76% dieser Verbindlichkeiten werden der Troika geschuldet). Aus diesem Grund dürfte die griechische Regierung also ein grosses Interesse daran haben, im Hinblick auf diese offiziellen Verbindlichkeiten einen Zahlungsausfall zu erwirken.

Aber was wäre, wenn sich ein „Grexit“ für Griechenland als sehr vorteilhafte Lösung erweisen sollte? Könnten andere Staaten dann dem Beispiel Griechenlands folgen wollen? Diese Möglichkeit besteht zwar, doch der kurzfristige Zusammenbruch der Wirtschaft könnte als zu heftig angesehen werden. Ausserdem möchte ein Grossteil der Bevölkerung in der Eurozone den Euro ja behalten. Darüber hinaus würde es einige Zeit dauern, bis die Einführung einer neuen Währung letztlich auch Früchte trägt. Dies würde den verbliebenen Mitgliedstaaten des Euroraums genug Zeit für eine Anpassungsphase verschaffen. Gleichzeitig könnten das QE-Programm der EZB sowie die Investitionspläne von Jean-Claude Juncker in dieser Zeit ihre Wirkung entfalten.

Ein Problem besteht jedoch darin, dass die neuen populistischen Parteien den Anschein erwecken, dass es durchaus möglich ist, den Euro auch ohne Sparmassnahmen zu behalten. Und würden nicht auch Sie für eine solche Politik stimmen? Zu zeigen, dass ein solcher Weg aber nicht gangbar ist, würde der Bevölkerung anderer EU-Mitgliedstaaten eindeutig signalisieren, dass die eine Sache ohne die andere nicht möglich ist.

Griechenland in Zahlen

  • Der monatliche Durchschnittslohn beträgt 600 Euro
  • Die Arbeitslosenquote liegt bei 25%, die Jugendarbeitslosigkeit beträgt fast 50%
  • Seit dem Ausbruch der Krise in der Eurozone ist die Wirtschaft des Landes um 25% geschrumpft
  • Die Staatsverschuldung entspricht 175% des BIP
  • Griechenland hat Kredite im Wert von 240 Mrd. Euro von der EU, der EZB und dem IWF erhalten


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