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"Gegenwind Chinas ist nachhaltiger als Rückenwind der USA"

Bild: Pixabay
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Angesichts zunehmender makroökonomischer Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft dürften Aktien mit grosser Wahrscheinlichkeit vor ihrem zyklischen Hoch stehen. Zu dieser Einschätzung kommt Witold Bahrke, Senior-Stratege bei Nordea Asset Management.

30.08.2018, 08:29 Uhr

Redaktion: sif

Bahrke geht davon aus, dass die Konjunktur in der US-Wirtschaft in den kommenden Monaten deutlich besser verlaufen wird als in anderen wichtigen Wirtschaftsregionen. Dies wird in der Folge zu einer weiteren Straffung der geldpolitischen Rahmenbedingungen führen, was das Tempo der Weltkonjunktur dämpfen wird.

"Das konjunkturelle Auseinanderdriften zwischen den USA und allen anderen wichtigen Wirtschaftsregionen in der Welt hat auf Dauer eine zerstörerische Wirkung", erläutert Witold Bahrke, Senior-Stratege bei Nordea Asset Management. "Es führt zu einem sehr instabilen Zustand in der globalen Wirtschaft, der nur auf zwei Arten wieder ins Gleichgewicht gebracht werden kann: Entweder das Tempo der US-Wirtschaft verlangsamt sich oder das Wachstum in China und im Rest der Welt zieht an." Im Moment spreche einiges dafür, dass die Divergenz andauert. Die Stärke des Dollars bekommen aktuell weniger die USA selbst als vielmehr alle anderen Länder zu spüren. "Auf Dauer scheint eine Verlangsamung des US-amerikanischen Wachstums aber wahrscheinlicher als ein nachhaltiges Anziehen der chinesischen Wirtschaft, weil der Gegenwind für die chinesische Wirtschaft nachhaltiger ist als der Rückenwind für die USA", so der Senior-Stratege.

Die USA wird die Zügel anziehen
Nach Einschätzung des Experten hat das Wachstum der Weltwirtschaft im ersten Halbjahr 2018 ein zyklisches Hoch markiert. Zusammen mit einer steigenden Inflation spricht dies für ihn dafür, dass die US-Notenbank die Zügel in ihrer Geldpolitik weiter anziehen wird. "Die Weltwirtschaft wird dadurch gleich in zweifacher Weise unter Druck geraten: durch höhere US-Zinsen und einen sich weiter aufwertenden US-Dollar, denn am Ende des Tages ist Dollar-Liquidität eintscheidend aufgrund des Status als Reservewährung", ist Bahrke überzeugt. Der Druck aus dieser Richtung werde langsam aber sicher noch zunehmen, weil die Inflation in den westlichen Industrieländern anzieht.

In den USA liegt die Kernrate derzeit auf dem höchsten Niveau seit der Finanzkrise. In den USA profitiert die Konjunktur Bahrke zufolge jetzt von den Steuersenkungen der Trump-Regierung. Auf der anderen Seite des weltwirtschaftlichen Spektrums bremsen knappere Kredite das Wachstum in China. Zudem leidet der globale Handel unter zunehmenden Protektionismustendenzen. "Die USA sind relativ gesehen die Gewinner dieser Entwicklung, weil sie über die grösste Binnenwirtschaft der Welt verfügen, die in sich vergleichsweise geschlossen agiert", so der Experte. "China dagegen war in den vergangenen Jahrzehnten der Hauptgewinner der Globalisierung – und hat dementsprechend unter den sich ändernden Rahmenbedingungen am stärksten zu leiden."

Teufelskreis der Dollar-Aufwertung
Die zunehmenden Divergenzen auf der ökonomischen Landkarte werden sich Bahrke zufolge in der Entwicklung des US-Dollars manifestieren. Er wird weiter Auftrieb bekommen. "Ein starker Greenback wird in der Folge vor allem ausserhalb der USA zu strafferen geldpolitischen Rahmenbedingungen führen", prophezeit der Experte. Das betreffe vor allem die Schwellenländer, von denen sich viele in Dollar verschuldet haben. Für sie wird der Druck wachsen, ihre Schulden bedienen zu können. Daraus droht ein Teufelskreis, der zunächst einzelne Länder und dann die ganze globale Wirtschaft nach unten ziehen könnte: Die makroökonomischen Ungleichgewichte stärken den US-Dollar, das wiederum trifft vor allem die Emerging Markets, was in der Folge dann die Ungleichgewichte weiter verstärkt. Und das wiederum verschafft dem Dollar noch mehr Auftrieb.

Problematisch an der derzeitigen Situation sei nach Einschätzung von Bahrke, dass die Treiber des US-Wachstums eher zyklischen Charakter haben, wie etwa die Effekte der fiskalen Lockerungen und höhere Ölpreise, während die Belastungsfaktoren in China struktureller Natur sind. "Dadurch wirken sie nachhaltiger", erläutert Bahrke. "Unter dem Strich bedeutet das, dass sich mit grosser Wahrscheinlichkeit eher das Wachstum der US-Wirtschaft mittel- bis langfristig abschwächen wird, als dass es sich im Rest der Welt erholt. Das könnte die grosse Story im kommenden Jahr werden, doch im Moment werden die makroökonomischen Rahmenbedingungen von dem Auseinanderdriften der Regionen bestimmt."

Konsequenzen für die Finanzmärkte
"Wir denken, dass nach den Emerging Markets das Segment der Hochzinsanleihen und die globalen Aktienmärkte den Abwärtsdruck zu spüren bekommen", warnt Bahrke. "Der Schlüssel für die Frage nach dem 'Wann' ist der US-Dollar und sein Einfluss auf die globale Liquidität. Eine weitere handelsgewichtete Aufwertung um fünf Prozent bis zum Ende des Jahres dürfte die grossen Notenbanken zum Handeln zwingen – und damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass wir an den Aktienmärkten in den kommenden sechs Monaten den 'Big-Top' sehen." Bis dahin empfiehlt Bahrke, bei Dividendentiteln defensiv zu agieren.

Bei den entwickelten Märkten sei zu erwarten, dass sie weiterhin vergleichsweise gut laufen, da das Wirtschaftswachstum in diesen Ländern vergleichsweise robust ist und diese Märkte über sehr viel Liquidität verfügen. Steigende Makrorisiken machten es zudem attraktiv, den Anteil sicherer Anleihen aus den USA und der Eurozone zu erhöhen. "Denn zunehmender Protektionismus und eine straffere Geldpolitik haben zweifellos deflationäre Wirkungen", so Bahrke. "Sichere Häfen und qualitativ erstklassige kurzlaufende Anleihen sollten Investoren stärker gewichten angesichts der Tatsache, dass die laufenden makroökonomischen Trends in Frage gestellt werden müssen und damit die Aktienmärkte in naher Zukunft ihr Hoch sehen könnten."

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