EZB-Sitzung: „Alles Notwendige tun“ – aber zu gegebener Zeit …

Tim Stevenson, Director of European Equities bei Henderson Global Investors
Tim Stevenson, Director of European Equities bei Henderson Global Investors

Tim Stevenson, Director of European Equities bei Henderson Global Investors, rechnet mit weiteren Käufen von Anleihen mit kurzen Laufzeiten von der EZB.

10.08.2012, 16:37 Uhr

EZB-Chef Mario Draghi machte kürzlich mit sehr radikalen Äusserungen von sich reden. Er sagte, die EZB werde im Rahmen ihres Mandats „alles Notwendige tun, um den Euro zu erhalten“, und fügte hinzu: „Glauben Sie mir – es wird ausreichen“. Der EZB-Rat stellte sich voll hinter die Aussagen von Draghi, und auch verschiedene europäische Regierungschefs sowie US-Finanzminister Geithner gaben ihm Rückendeckung. An den Märkten herrschte daraufhin tagelang grosse Aufregung, bevor in der vergangenen Woche die letzte EZB-Sitzung vor der Sommerpause mit anschliessender Pressekonferenz stattfand.

Draghis Vorgesehensweise hält Henderson für konsequent
Nach der Sitzung waren die Reaktionen anfangs negativ. Die Investoren zeigten sich enttäuscht, weil keine sofortigen Massnahmen versprochen worden waren. Zudem mangelte es den Plänen an konkreten Angaben zu Umfang und Modalitäten. Henderson hält Draghis Kommentare jedoch für konsequent und möchten den Blick auf einige der positiveren Teile seiner Rede lenken, die wichtig erscheinen. So betonte Draghi erneut, die EZB werde alles Notwendige tun – Interventionen an den Staatsanleihemärkten eingeschlossen –, um den Transmissionsmechanismus der Geldpolitik wiederherzustellen. In Betracht kämen etwa „Offenmarktgeschäfte in dem Umfang, wie er zur Erreichung des Ziels erforderlich“ sei. Das Ausmass etwaiger Anleihekäufe wird zwar nicht genau definiert, doch die EZB behält sich vor, alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen. Draghi ist (wie alle) unglücklich darüber, dass die Renditen an den Anleihemärkten einiger europäischer Randstaaten nicht auf die Massnahmen reagiert haben, die dort zur Verbesserung der Finanzlage getroffen worden sind. Er machte auch klar, dass die EZB erst tätig werden könne, wenn Mitgliedsstaaten (Spanien und/oder Italien) einen Antrag auf Unterstützung gestellt hätten. Die mit einem solchen Ersuchen verbundene Stigmatisierung sowie die Mitsprache der „Troika“ in haushaltspolitischen Fragen haben bisher verhindert, dass es dazu gekommen ist. Bleibt zu hoffen, dass dieser Schritt für nationale Regierungen akzeptabler wird, wenn auch die „Feuerkraft“ der EZB hinzukommt.

Die EZB wird mit durchgreifenden Massnahmen intervenieren
Trotz der gemischten Reaktionen glaubt Henderson, dass Draghi begonnen hat, das Fundament für durchgreifende Massnahmen zu schaffen. Es wird mit weiteren Interventionen an den Anleihemärkten (in erster Linie werden Käufe von Anleihen mit kurzen Laufzeitenerwartet) und mit unterstützenden Aktionen in allen Bereichen gerechnet. Dabei dürften die Instrumente zum Einsatz kommen, die gegenwärtig zur Verfügung stehen, während im Hintergrund weiter gehende Massnahmen vorbereitet werden. Tatsächlich sind die Renditeaufschläge an den peripheren Anleihemärkten in der Zwischenzeit gesunken, und die Aktienmärkte haben den grössten Teil ihrer Verluste von Donnerstagnachmittag wieder aufgeholt.

Alles braucht Zeit, sehr viel Zeit – aber es ist ja schon seit längerem klar, dass die Verringerung der weltweit angehäuften Schuldenberge ein langfristiger Prozess ist. Einige der Massnahmen, die zu diesem Zweck ergriffen werden, schwächen das Wachstum noch zusätzlich. Das führt natürlich zu Frustration. Unterdessen sieht die Realität so aus, dass die Unternehmenszahlen für das zweite Quartal überwiegend positiv waren, und an den europäischen Aktienmärkten findet man eine Vielzahl von Titeln, die attraktiv bewertet sind und eine gute Performance zeigen.


Quelle: e-fundresearch.com

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