Expansive Geldpolitik: Die BIZ soll nicht übertreiben

Anton Brender, Chefökonom bei Candriam
Anton Brender, Chefökonom bei Candriam

Der Jahresbericht der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) löste Ende Juni heftige Wortgefechte zwischen den Zentralbankern und ihrer „Zentralbank“ aus. Die BIZ hatte erneut unterstrichen, dass die Geldpolitik der letzten Jahre in den Industrieländern zu Preisblasen führen könnte, die, falls sie platzen, möglicherweise die finanzielle Stabilität gefährden. Sie liess durchblicken, dass es höchste Zeit sei, die expansive Geldpolitik zu beenden.

29.07.2014, 11:34 Uhr

Redaktion: dab

Die Diskussion blieb natürlich nicht unbemerkt. Viele Marktbeobachter traten auf den Plan, die meisten mit Argumenten für die lockere Geldpolitik. Nur wenige unterstützten die Warnungen der BIZ. Eine wirkliche Überraschung ist das nicht: Eine Anhebung der Zinsen zum jetzigen Zeitpunkt würde der allmählichen Erholung Europas zweifellos die Dynamik nehmen. Und das dann schwächere Wachstum könnte dem Beschäftigungszuwachs in den USA schnell ein Ende machen. Ist es also falsch von der BIZ, den Propheten zu geben? Nein, natürlich nicht. Niemand zweifelt daran, dass eine so lange Zeit der expansiven Geldpolitik riskant ist. Allerdings scheint die BIZ zu übersehen, dass jede Geldpolitik Risiken birgt. Ob konventionell, unkonventionell, expansiv, extrem expansiv oder restriktiv – die Geldpolitik ist niemals für alle Sektoren gleich gut oder schlecht. Einige Sektoren und Assetklassen reagieren sensibler auf die geldpolitischen Impulse. Die Finanzkrise hat aber dafür gesorgt, dass die Geldpolitik jetzt im Zentrum der Aufmerksamkeit steht. Wenn der eine oder andere der üblichen Übertragungskanäle defekt ist, sind die anderen umso mehr gefordert.

Beispielsweise löst eine Zinssenkung in den USA normalerweise einen Anstieg der Kreditvergabe und der Hausverkäufe aus, gefolgt von mehr Bautätigkeit. Angesichts der Übertreibungen in der Vergangenheit hat dies zuletzt aber nicht funktioniert: Hypothekenkredite und Baubeginne beginnen erst jetzt allmählich wieder zu steigen. Daher hat die Fed mit ihrer Ankündigung, ihre Leitzinsen länger als üblich niedrig zu lassen, für eine Verflachung der Zinsstrukturkurve gesorgt – und das trotz Aufschwung. Umso stärker legten die Aktienkurse zu. Deren Anstieg ist ein weiterer üblicher Übertragungskanal. Bildet sich hier also tatsächlich eine Preisblase? Zugegeben, der S&P 500 steht heute 40 Prozent über seinem letzten Hoch im Jahr 2000, dem der Zusammenbruch folgte. Allerdings ist auch das US-BIP heute 70 Prozent höher als damals. Selbst wenn man die zurzeit ungewöhnlich niedrigen Langfristzinsen berücksichtigt, ist nur schwerlich davon auszugehen, dass US-Aktien gefährlich hoch bewertet sind.

In Europa ist das Bild noch klarer: Weil viele Elemente des Mechanismus, über den Leitzinssenkungen üblicherweise die Konjunktur beleben, nicht funktionierten, versuchte die EZB die Langfristzinsen auch mittels Forward Guidance zu drücken. Als das Wachstum anzog, schossen die Märkte in die Höhe. Aber der EuroStoxx liegt noch immer deutlich unter seinem Hoch im Jahr 2000. Angesichts der früheren Übertreibungen, auch in Europa, stiegen aber nur in wenigen Ländern (unter anderem in Deutschland) Hausverkäufe und Immobilienpreise. Von einer Preisblase zu sprechen ist, gelinde gesagt, übertrieben. In den letzten Jahren sind die Immobilienpreise im Durchschnitt um etwa 5 Prozent pro Jahr gestiegen, also um 3 Prozent mehr als der Preisindex des Bruttoinlandsprodukts. Und auch wenn die Preise zuletzt etwas mehr angezogen haben, ist das Verhältnis zwischen Immobilienpreisen und BIP heute nicht anders als vor 20 Jahren.
Die BIZ tut gut daran, auf die Risiken durch anhaltend niedrige Leitzinsen hinzuweisen. Dennoch besteht kein Grund zur Panik: So wie die Dinge stehen, haben die Zentralbanken kaum eine andere Wahl. Und selbst wenn irgendwo eine Blase platzt, werden die Folgen wohl nicht dramatisch sein.

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