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Europäische Aktien: Klotzen statt kleckern

Ad van Tiggelen, Senior Investment Specialist, Investment Content Management bei ING Investment Management
Ad van Tiggelen, Senior Investment Specialist, Investment Content Management bei ING Investment Management

In seiner Oktober-Kolumne rät Ad van Tiggelen, Senior Investment Specialist bei ING Investment Management, den Anlegern, die in europäische Aktien investieren wollen, international tätige europäische Unternehmen in defensiven Sektoren zu bevorzugen. Lesen Sie seine Einschätzung im folgenden Artikel.

07.10.2011, 22:14 Uhr

Redaktion: kab


Im gerade beendeten dritten Quartal sind die Kurse europäischer Aktien um knapp 17 Prozent gefallen. Bedenkt man, dass wir in den nächsten Quartalen mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit eine milde Rezession in Grossbritannien und der Eurozone erleben werden, ist dieser Rückgang wohl gerechtfertigt.

Selbst bei einer leichten Rezession würden die Unternehmensgewinne 2012 um mindestens 5 bis 10 Prozent sinken. Die Anlegerschaft hat dieses Szenario bereits weitgehend eingepreist, aber die anhaltende Ungewissheit im Zuge der Eurokrise bedeutet, dass wir es diesmal mit einer ungewöhnlich hohen Zahl möglicher Szenarien zu tun haben. Wie sollen Anleger in europäische Aktien sich vor diesem Hintergrund verhalten?

Zunächst muss man sich klarmachen, dass viele Unternehmen infolge der Eurokrise Schwierigkeiten haben, sich über Bankkredite zu finanzieren. Das gilt insbesondere für kleinere und mittelständische Firmen. Zudem fällt es diesen Unternehmen zunehmend schwerer, sich über die Anleihemärkte zu refinanzieren, denn dort sind die Emissions- und Handelsvolumen dramatisch zurückgegangen. Multinationale Konzerne haben dagegen weitaus weniger Probleme, sich über die Kreditmärkte zu versorgen. Damit haben sie im gegenwärtigen Marktumfeld einen eindeutigen Vorteil.

Zweitens ist Europa im Vergleich zu Amerika oder Asien wohl in einer weniger günstigen Position, um sich auf den Wandel zu einer stärker globalisierten und wettbewerbsorientierten Welt einzustellen. Unsere Arbeitsmärkte sind weniger flexibel und unsere Altersvorsorgesysteme kostspieliger. Zugleich sind die europäischen Gewerkschaften – vor allem in den südlichen Ländern – mächtiger. In der Vergangenheit wurden diese relativen Negativfaktoren vom sogenannten Kredit-Superzyklus, also dem überreichlichen Angebot billigen Geldes, überspielt. Da nun aber die Schuldenstände hoch sind und die politische Einheit in der Eurozone in weite Ferne gerückt ist, könnte die Kaufkraft in Europa über mehrere Jahre ausgehöhlt werden. In dieser Hinsicht sind global orientierte europäische Unternehmen wohl besser positioniert als diejenigen, die sich einzig auf den heimischen Markt konzentrieren.

Drittens nimmt die Solvenz- und Liquiditätslage eines Unternehmens an Bedeutung zu, wenn der Zugang zu frischem Geld immer schwieriger wird. Unternehmen mit gesunden Bilanzen und der Fähigkeit, solide freie Cashflows zu erzeugen, hängen weniger von Banken und Finanzmärkten ab. Das gilt vor allem für gut diversifizierte Grossunternehmen in weniger zyklischen Branchen.

Vor diesem Hintergrund ist klar, dass international tätige europäische Unternehmen in defensiven Sektoren wohl am besten aufgestellt sind, um die vor uns liegenden Herausforderungen zu bewältigen. Kleine und mittelständische Firmen werden es schwerer haben, da sie in der Regel konjunkturabhängiger und stärker auf den heimischen Markt ausgerichtet sind. Zudem werden sie wohl eher von Refinanzierungsproblemen betroffen sein, solange der „Euro-Stress“ im europäischen Bankensystem und auf dem Unternehmensanleihemarkt anhält.

Insofern überrascht es nicht, dass europäische Small Caps in letzter Zeit hinter kapitalstärkeren Unternehmen aus Europa zurückgeblieben sind. Nachdem Small Caps fast zehn Jahre lang besser als Large Caps abgeschnitten haben, dürfte dieser neue Trend vorerst anhalten. Ab jetzt sollten Investoren sich daher an Grossunternehmen mit üppigen Bilanzen und grosszügigen Dividenden orientieren. Insofern mag die Devise noch eine ganze Weile „klotzen statt kleckern“ lauten, jedenfalls so lange, wie dies den Politikern und Gewerkschaften misslingt.

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