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Europäische Aktien: Back to Basics

Witold Bahrke, Senior-Stratege bei Nordea Asset Management.
Witold Bahrke, Senior-Stratege bei Nordea Asset Management.

Mit dem Rückgang der politischen Risiken wird der Weg frei für überdurchschnittliche Aktienerträge in Europa, sagt Witold Bahrke, Senior-Stratege bei Nordea Asset Management.

23.05.2017, 09:08 Uhr

Redaktion: jog

Mit dem Ausgang der französischen Wahlen sind die Chancen für europäische Aktien ausgesprochen günstig: politische Extremrisiken sind weniger wahrscheinlich, die konjunkturellen Fundamentaldaten solide und die geldpolitischen Rahmenbedingungen vergleichsweise locker. Berücksichtigt man weiterhin die günstigen Bewertungen, dann spricht viel dafür, dass europäische Aktien ihre globalen Pendants übertreffen. Zugegebenermassen ist die optimistische Sicht auf die europäischen Aktienmärkte nichts Neues. Aber lange Zeit war dieser Optimismus rein theoretisch: es schien, als hätten die Anleger mit Blick auf die Region Angst vor ihrer eigenen Courage.

Auslöser für überdurchschnittliche Kursgewinne in Europa
Eine starke Konjunktur mit Wachstum über dem US-Niveau und die unter diversen Aspekten positiven Bewertungen reichten nicht aus, um die tief verwurzelte Skepsis der Anleger zu überwinden. Nach klassischen Bewertungskriterien wie etwa Preis/Buchwert wirken europäische Aktien günstig. So liegt Europa aktuell um 3% unter seinem langfristigen mittleren Preis/Buchwert, während die USA um 10% teurer sind. Sieht man durch die zyklischen Schwankungen der Unternehmensgewinne im Kurs-Gewinn-Verhältnis hinweg (Shiller KGV), werden europäische Unternehmen um 5% unter ihrem Durchschnittswert gehandelt und erreichen damit gegenüber ihren US-Pendants, die 38% über dem Durchschnitt liegen, historische Tiefs. Anstatt aber auf Schnäppchenjagd zu gehen, haben sich die Anleger in den letzten Quartalen weitgehend zurückgehalten.

Grund hierfür war im "Superwahljahr" 2017 vor allem ein Faktor: In Zeiten mit hohem politischem Risiko machen Anleger keine Nägel mit Köpfen. Entsprechend kann die tiefsitzende Skepsis gegenüber europäischen Aktien erst überwunden werden, wenn aus politischer Sicht kein grösseres Ungemach droht.

Wo also stehen wir jetzt nach dem Wahlsieg von Macron? Vermutlich ist ein Wendepunkt in der Bewertung des politischen Risikos erreicht. Das besonders aus europäischer Sicht grösste Schreckgespenst scheint gebannt. Ökonomisch ausgedrückt haben sich die statistisch unwahrscheinlichen, aber extremen Risiken verringert. Jetzt, da die wichtigste politische Hürde für europäische Aktien genommen ist, dürften sich die Märkte wieder zunehmend den fundamentalen Investmentgrundlagen, also Wachstum, Gewinnsituation, geldpolitisches Umfeld und Bewertung zuwenden.

Politik überbewertet, Fundamentaldaten unterbewertet
Rückblickend wurde die politische Paranoia im europäischen Aktienmarkt vermutlich überbewertet. Politisch läuft jetzt das meiste wieder in vertrauten Bahnen, und so dürfte einer überdurchschnittlichen Entwicklung europäischer Aktien nichts mehr entgegenstehen, zumal neben den attraktiven Bewertungen auch die Konjunktur, die Unternehmensgewinne und die Geldpolitik mitspielen.

Die Wachstumsindikatoren in Europa sind nach wie vor robust, und daran dürfte sich besonders gegenüber anderen grossen Regionen der Welt auch künftig nichts ändern. Das BIP des Euroraums legte 2016 um 1,8% zu und stieg damit stärker als das US-Wachstum (1,6%). Diese Konstellation konnten wir seit 2008 nicht mehr beobachten. In anderen Worten: die Wachstumsunterschiede zwischen Europa und den USA haben sich in den letzten Jahren deutlich verringert. Obwohl dies an der Wertentwicklung europäischer Aktien gegenüber ihren US-Pendants bisher nicht abzulesen war (vergleiche Grafik), ist das Aufholpotenzial klar erkennbar.

Aus fundamentaler Sicht bestätigen die Unternehmensgewinne, dass Europa das Gröbste überstanden hat. Die positiven Überraschungen bei den Gewinnen sprechen dafür, dass dieses Quartal zum Spitzenreiter der vergangenen zehn Jahre werden könnte. Bisher sieht alles danach aus, dass die Gewinne im ersten Quartal im Vorjahresvergleich bis zu 20% und damit deutlich stärker wachsen als erwartet. Und bei den Prognosen übersteigen die Aufwärtskorrekturen die Gewinnwarnungen. Eine ähnliche Situation gab es in den letzten fünf Jahren nur einmal.

Und das geldpolitische Umfeld? Obwohl die EZB durch die Verringerung ihrer Ankäufe absolut gesehen die Geldpolitik anzieht, sind die Bedingungen im Euroraum immer noch sehr viel lockerer als in anderen Regionen. Bislang ist die Europäische Zentralbank den Forderungen einiger Länder nach stärkeren Straffungsmassnahmen nicht nachkommen. Während die Leitzinsen in China und den USA steigen, hält die EZB die Zinsen konstant und passt ihre makroökonomische Risikobeurteilung nur marginal an. Damit hat der Euroraum unter den drei grössten Wirtschaftsregionen die expansivste Geldpolitik.



Aus Sicht der Märkte ist die Kehrseite der überbewerteten politischen Extremrisiken, dass fundamentale Verbesserungen unterbewertet wurden. Das erklärt in unseren Augen weitgehend, warum europäische Aktien 2016 und in weiten Teilen des Jahres 2017 zurückgeblieben sind. In der Konsequenz bedeutet dies aber auch: europäische Aktien haben noch viel Luft nach oben. Unter Risiko-Ertrags-Aspekten wirken sie aus unserer Sicht jetzt zunehmend attraktiv.

Keine Patentlösung
Einfach unbesehen europäische Aktienindizes zu kaufen, ist aber womöglich nicht der Weisheit letzter Schluss. Zum einen, weil zwischen unterschiedlichen europäischen Ländern und Branchen deutliche Unterschiede bei Bewertung, Ertragspotenzial etc. bestehen. Zum anderen, weil diese Diskrepanzen zwischen Ländern, Branchen und einzelnen Aktien eher noch wachsen, da die Zentralbanken ihre Segnungen nicht mehr im Giesskannenprinzip verteilen. Und schliesslich steigen die Diskrepanzen gegen Ende des globalen Konjunkturzyklus tendenziell ohnehin. Auch wenn europäische Aktien von der spätzyklischen Dynamik meist profitieren, steigt gleichzeitig die Makro-Unsicherheit und verstärkt unter Umständen das Auseinanderdriften von Sektoren und Ländern. Für Anleger bedeutet dies, nicht wahllos Aktien ins Portfolio zu kaufen – Differenzierung wird wichtiger. Aktives Management sollte ein zentrales Element der Anlagestrategie sein, um Kurspotenzial in Europa zu heben.

Die Chancen, dass sich europäische Aktien besser entwickeln als die globalen Benchmarks, stehen aus Sicht von Witold Bahrke von Nordea Asset Management gut. Mit dem Rückgang der politischen Extremrisiken ist es nun an der Zeit, zu den Grundlagen zurückzukehren: in Zukunft dürften solide Fundamentaldaten bei grundsätzlich günstigen Bewertungen die Kurse in Europa bestimmen. Nachdem viele Anleger trotz gegenteiliger Überzeugung den Sprung bisher nicht gewagt haben, halten man bei Nordea jetzt die Zeit für gekommen, das Engagement in europäischen Aktien zu erhöhen.

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