"Europa kann seine Probleme lösen"

Jim Leaviss, Leiter Anleihen bei M&G Investments
Jim Leaviss, Leiter Anleihen bei M&G Investments

Gemäss Jim Leaviss, Leiter Anleihen bei M&G Investments, müssen Ungleichgewichte reduziert werden, um Europa zu kurieren.

20.12.2011, 10:42 Uhr

Redaktion: dad

„Unserer Meinung nach kann Europa seine Probleme lösen“, so Jim Leaviss, Leiter Anleihen bei M&G Investments. Seiner Meinung nach wird eine Kombination aus Wirtschaftswachstum, fiskalischen Sparmassnahmen, Schuldenschnitten und finanzieller Zurückhaltung Europa kurieren. Die Ungleichgewichte, die für die Probleme in Europa massgeblich verantwortlich sind, müssen reduziert werden. So müssen die Überschüsse in den nordeuropäischen Staaten ebenso gesenkt werden wie die Haushaltsdefizite in den südeuropäischen Ländern. „Bisher hat man sich ausschliesslich auf den Abbau der Haushaltsdefizite in Südeuropa mittels Sparmassnahmen konzentriert, aber das funktioniert nicht. Es muss eine umfassendere Behandlungsmethode umgesetzt werden. Denn hierbei geht es nicht darum, ob eine Arznei verabreicht werden muss, sondern ob die Patienten diese auch schlucken werden“, fährt Leaviss fort.

So muss die EZB nicht nur den Refinanzierungssatz von seinem aktuellen Niveau um weitere 0,5% senken, sondern auch quantitative Lockerungsmassnahmen in Höhe von 1 bis 5 Bio. EUR auf den Weg bringen. „Schliesslich weiss derzeit niemand so genau, in welchem Masse die Banken in Staatsanleihen aus den Randstaaten des Euroraums investiert sind. Ausserdem wird es aufgrund der Schuldenschnitte bei Staatsanleihen einer beträchtlichen Rekapitalisierung des Bankensektors bedürfen. Deshalb müssen die Rettungspakete auch so umfangreich sein – die Alternative nämlich wären kollabierende Banken, eine Hyperinflation, eine Depression sowie soziale Unruhen. Und damit würde letztlich keine Gesellschaft fertig werden“, sagt Leaviss.

Unternehmensanleihen sind attraktiv bewertet
„Wir sind fest davon überzeugt, dass sowohl Anleihen mit Investment-Grade-Status als auch Hochzinsanleihen auf ihrem aktuellen Bewertungsniveau viel versprechende Anlagechancen bieten – vor allem im Vergleich zu liquiden Mitteln“, erklärt Jim Leaviss. „Momentan wird in den Kursen von Papieren mit Investment-Grade-Status sowie von Hochzinsanleihen nämlich eine Rezession eingepreist. Unserer Einschätzung nach berücksichtigen die Bewertungen derzeit zwar die bestehenden Rückschlagrisiken, vernachlässigen jedoch die Möglichkeit einer eher positiven Entwicklung“.

So spiegeln die Zinsdifferenzen von Hochzinsanleihen für die nächsten fünf Jahre Ausfallraten von 50% wider. Da Emittenten von Hochzinsanleihen die Laufzeiten ihrer Kredite zuletzt jedoch verlängert haben, um so ein Refinanzierungsrisiko in den nächsten Jahren zu vermeiden, erwarten wir auf kurze Sicht nur sehr niedrige Ausfallraten. Darüber hinaus bietet der sich gerade entwickelnde Markt für vorrangige, besicherte Hochzinsanleihen (der allmählich an die Stelle des Marktes für bankenfinanzierte Hebelkredite tritt) eine neue Möglichkeit, in so genannte „Junk Bonds“ zu investieren – aber bei geringerem Risiko.
„Die Unternehmen ausserhalb des Finanzsektors sind grösstenteils immer noch in einem sehr guten Zustand. Die expansive Phase der letzten Jahre war zu kurz und zu unsicher, um die Firmen dazu zu veranlassen, von ihren konservativen Strategien abzurücken. Aufgrund der unsicheren volkswirtschaftlichen Aussichten konzentrieren sich viele Unternehmen weiterhin auf die Stärkung ihrer Bilanzen und bauen Liquidität auf. Insgesamt ist der Zustand der Sektoren ausserhalb des Finanzbereichs robust“, erläutert Leaviss.

Im Gegensatz dazu sind Banken immer noch auf lebenserhaltende Massnahmen angewiesen. Erstens sind die Kreditkosten ebenso hoch wie der Finanzierungsdruck an den Interbanken-Märkten. Zweitens spricht die derzeit schwache Tendenz der Realwirtschaft dafür, dass die Zahl notleidender Kredite noch weiter ansteigen wird. Drittens wird ein strengeres Aufsichtsrecht die Fähigkeit der Banken, Gewinne zu erzielen, beeinträchtigen. Viertens ist nach wie vor äusserst unklar, in welchem Ausmass die Banken in Staatsanleihen aus den europäischen Randstaaten investiert sind. Und fünftens schliesslich hält man es allgemein für unwahrscheinlich, dass es allen Besitzern vorrangiger Anleihen mittelfristig gelingen wird, sich dem geplanten Lastenausgleich zu entziehen. Deshalb gehen wir bei der Auswahl von Bankentiteln, denen wir gerne Geld leihen möchten, auch weiterhin sehr selektiv vor und setzen auf nationale Marktführer mit einer Vielzahl unterschiedlicher Gewinnquellen.

Die Renditen 10-jähriger Staatsanleihen aus Grossbritannien, Deutschland und den USA liegen derzeit bei etwa 2% oder sogar noch darunter. Damit bieten diese Papiere lediglich moderate Anlagechancen. Selbst bei einem stark unterdurchschnittlichen Wachstum, gleichbleibenden oder sinkenden Zinsen und einem Aufkauf von Staatsanleihen in Milliardenhöhe seitens der Zentralbanken, scheint das Aufwärtspotenzial dieser Anleihen nur begrenzt zu sein. Aus diesem Grund gehen wir nicht davon aus, dass die Renditen auf absehbare Zeit wieder auf ihr Niveau von vor der Krise zurückkehren werden.

Hoher Konzentrationsgrad bei Schwellenländeranleihen
„Natürlich verfügen die Schwellenländer-Volkswirtschaften über ein höheres Wachstumspotenzial, weisen günstigere demografische Trends auf und sind auf Basis ihres BIP geringer verschuldet als die etablierten Volkswirtschaften. In den letzten Jahren haben westliche Anleger jedoch so viel Kapital in diese Märkte geschleust, dass sich mittlerweile mehr als 30% der in lokalen Währungen denominierten Anleihen (und damit dreimal so viele Papiere wie noch 2009) im Besitz ausländischer Investoren befinden. Man könnte behaupten, dass 30% im Vergleich zu den meisten etablierten Märkten immer noch kein besonders hoher Anteil ist – was auch zutrifft. Uns beunruhigt aber vor allem der hohe Konzentrationsgrad der Anleiheninvestoren“, so Leaviss. Weltweit gibt es nämlich lediglich eine Handvoll sehr grosser Anleihenanleger, die an den Märkten für auf lokale Währungen lautende Schwellenländeranleihen einen beträchtlichen Anteil hält. So besitzen einige dieser Investoren mehr als 50% der Staatspapiere einzelner Schwellenländer. Würden diese beträchtlichen Mittel wieder aus den Märkten für Schwellenländeranleihen abgezogen werden, hätte dies eine massive Liquiditätsknappheit sowie einen deutlichen Anstieg der Kreditkosten der Schwellenländer zur Folge. Und nicht nur die Schwellenländer selbst sind von diesen Kapitalströmen und den günstigen Finanzierungen, die diese mit sich bringen, abhängig. Banken (und in geringerem Masse auch Unternehmen) aus den Schwellenländern sind möglicherweise in genau derselben Lage.

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