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Eurokrise und Frankenstärke

"Alle Jahre wieder" ist der Gedanke der wohl manchen Marktbeobachtern durch den Kopf geht, meint Dr. Thomas Steinemann, Chefstratege der Vontobel-Gruppe, in seinem aktuellen Marktkommentar. Als die Eurokrise zum ersten Mal im Mai vor einem Jahr eskalierte wurden die umfangreichen Hilfspakete der EU, der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds für Griechenland mit einiger Verzögerung geschnürt. Die Konsequenzen waren ein regelrechter Börsencrash, stark fallende Obligationenzinsen für deutsche und schweizerische Staatsanleihen und ein festerer Franken, der die Schweizerische Nationalbank zu den - mittlerweile viel diskutierten - Interventionen veranlasste.

08.06.2011, 16:26 Uhr

Redaktion: hes

Die Hilfspakete waren mit Sanierungsauflagen verknüpft, die zum Ziel hatten, über Sparen und Sanieren die Situation wieder in den Griff zu kriegen. Griechenland sollte dadurch das Vertrauen der Märkte zurückgewinnen, um dereinst wieder selbständig Geld aufnehmen zu können. Der Erfolg dieser Massnahmen war bisher leider bescheiden: So verzeichnete der Mittelmeerstaat 2010 ein Budgetdefizit von 10.5% anstelle der vorgegebenen 8% und die Verschuldung musste unerwartet nach oben korrigiert werden. Entsprechend sind die griechischen Zinsen auf astronomische Höhen angestiegen, so dass an einen Gang an den Kapitalmarkt in den kommenden Jahren nicht mehr zu denken ist.

Umschuldung führt zu "Default" griechischer Staatsanleihen
Als Lösung bietet sich nach Meinung einiger Beobachter nur noch eine sogenannte "Umschuldung" an. Dies kommt allerdings zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Frage. Die Verfechter eines solchen Weges übersehen zumeist, dass eine Umschuldung - ausser es fände sich noch in letzter Sekunde irgendein juristischer Kunstgriff - zu einer Herabstufung der griechischen Staatsanleihen auf "Default"-Niveau führen würde. Damit könnten griechische Staatsanleihen nicht mehr zur Beschaffung von Liquidität eingesetzt werden, was gravierende Konsequenzen zur Folge hätte: 20 Prozent der Refinanzierung der griechischen Banken erfolgt über die EZB durch die Hinterlegung von griechischen Wertpapieren. Ein Wegfall dieser Finanzierungsmöglichkeiten würde das griechische Bankensystem lahm legen und in der Folge zu einer Schockstarre des europäischen und wahrscheinlich globalen Interbankenmarktes führen. Damit befänden wir uns in der gleichen kritischen Situation wie 2008 nach dem Kollaps der US-Bank Lehman. Es ist davon auszugehen, dass die Entscheidungsträger alles daran setzen werden, eine solche Entwicklung zu verhindern. Die Vontobel-Gruppe hält somit an dem bisherigen Szenario fest, das von einem "muddling through" oder "Durchwursteln", ausgeht. Sie sehen also weder einen grossen Wurf noch einen raschen Schlussstrich unter die Krise.

Euro bleibt gegenüber dem Franken schwach
Dies bedeutet, dass der Euro gegenüber dem Franken strukturell schwach bleiben dürfte. Gleichzeitig ist aber auch immer mit Gegenbewegungen des Euro zu rechnen, wie dies phasenweise letztes Jahr bereits der Fall war. Die Stärketendenz des Frankens, die sich seit 2007 ausgeprägt hat, ist jedoch aus fundamentaler Sicht gerechtfertigt. Sie spiegelt die Standortvorteile der Schweiz wider, zu denen tiefere Inflationsraten und Zinsen im Vergleich zu der Eurozone gehören. Vor vier Jahren war der Franken gemessen an der mit Produzentenpreisen berechneten Kaufkraftparität eindeutig zu billig. Insofern ist der jetzige Wechselkurs eine Rückkehr zur "Normalität". Das sehr hohe Tempo der Anpassung hat zu unliebsamen Nebenerscheinungen geführt: Besonders für die schweizerische Exportwirtschaft war die Korrektur nur durch Margeneinbussen zu verkraften. Dennoch bringt eine feste Währung auch viele Vorteile, die oft ausgeblendet werden. So bleiben die Importpreise tiefer, was sich zum Beispiel in relativ günstigen Energiepreisen für die Schweiz niederschlägt. Auch die Konsumenten profitieren von günstigen Importen. Die deutlich tieferen Zinsen sind eine Wohltat für die Unternehmen und die Inflation - eine Geissel vor allem für den Kleinsparer - ist klar niedriger als anderswo. Wer sich für einen schwachen Franken mit einer De-facto-Anbindung an den Euro stark macht, muss sich auch über die möglichen Konsequenzen - höhere Inflation, ein Zinsanstieg auf europäisches Niveau, Verlust von Standortvorteilen und Aufgabe einer eigenständigen Geldpolitik - im Klaren sein. Alle beteiligten Interessengruppen müssen für sich entscheiden, ob sie dies wirklich wollen.

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