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Emerging Markets: (Wieder-)Einstieg noch zu früh

Christophe Bernard, Chefstratege bei Vontobel
Christophe Bernard, Chefstratege bei Vontobel

Im Wettstreit um das Geld der Anleger haben die Industrieländer die Schwellenländer abgehängt. Könnte man davon ausgehen, dass die Verfolger wieder zum Spitzenreiter aufschliessen, wenn die momentane Schwäche überwunden ist? Vontobel ist der Meinung, dass Schwellenländeranlagen zwar deutlich attraktiver geworden sind, sie würden aber nicht vorschnell auf einen "Aussenseiter" setzen.

04.03.2014, 16:28 Uhr

Redaktion: dab

Lesen Sie den Marktkommentar von Christophe Bernard, Chefstratege bei Vontobel:

"Die Anleger haben in den "Emerging Markets" mit den Füssen abgestimmt. Dies manifestiert sich in einer schwachen Entwicklung sowohl an den Aktienmärkten – seit Mitte 2011 – als auch an den Anleihenmärkten – seit Mai 2013. Besonders offensichtlich wird dieser negative Trend, wenn man die Performance von Schwellenländer- und Industrieländeranlagen vergleicht. Die Bewertungen sind deutlich gesunken, weshalb sich die Frage stellt, ob es an der Zeit ist, sich konträr zu positionieren und das Engagement in den Schwellenländern zu verstärken.

Wirtschaftlicher Aufwärtstrend ist ins Stocken geraten
Trotz regionaler Unterschiede ist offensichtlich, dass sich das Wachstum in den wichtigsten Schwellenländern wie China, Russland, der Türkei, Brasilien, Mexiko oder Indien seit einiger Zeit abschwächt, nachdem die kreditgetriebene Konsumnachfrage an ihre Grenzen gestossen ist. Die Zentralbanken von Ländern mit Leistungsbilanzdefiziten waren gezwungen, die Zinsen zu erhöhen, um der Abwertung ihrer Währungen entgegenzuwirken, und dies zu einem Zeitpunkt hartnäckiger Inflation. Die restriktiveren Finanzbedingungen – steigende Anleiherenditen und höhere Kreditzinsen – sind schlechte Vorzeichen für die Nachfrage. Einen Lichtblick für die Schwellenländer stellt der Aufschwung in den USA und in den Industrieländern allgemein dar.

Rentabilität der Unternehmen unter Druck
Im Gegensatz den Industrieländern, wo die Unternehmen auch in der Rezession 2008/2009 ihre hohen Margen aufrechterhalten konnten, ist in den Schwellenländern die Rentabilität der Unternehmen unter Druck geraten. Infolgedessen wurden die Gewinnschätzungen wiederholt gesenkt. Ein Teil dieser Revisionen war bedingt durch eine generelle Abschwächung der Endmärkte im Rohstoffsektor. Der grösste Teil der Korrekturen ist jedoch schlechter Unternehmensführung und/oder staatlichem Interventionismus zuzuschreiben: Bei grossen Staatsunternehmen steht, gelinde gesagt, die Aktionärsrendite vielfach nicht im Mittelpunkt. Die chinesische Regierung hat zwar angekündigt, die Kapitalzuteilung zu verbessern, aber allgemein tendieren die Regierungen in den Schwellenländern dazu, direkt oder indirekt wichtige Wirtschaftssektoren zu beeinflussen, und zwar häufig zum Nachteil der Aktionäre. Die aktuellen Bewertungen beinhalten einen gerechtfertigten Abschlag gegenüber den Industrieländern. Bevor es zu einer Trendwende kommen kann, müssen Entscheidungsträger zunächst eine ausreichende Reformbereitschaft erkennen lassen.

Wenn das Fed vom Gas geht, treten die Schwächen zutage
Es bestehen kaum Zweifel, dass die extrem expansive Geldpolitik der US-Notenbank Fed und anderer grosser Zentralbanken für die Schwellenländer ein Segen war. Die Kapitalzuflüsse im Zuge der ausserordentlichen Liquiditätsmassnahmen trugen zu einem Boom bei Konsumkrediten in den Schwellenländern bei. Das (langsame) Schliessen der Fed-Geldschleusen wird nun in einigen Schwellenländern strukturellen Schwächen zu Tage treten lassen, die nur mit effektiven Reformen behoben werden können. Interessanterweise ist 2014 in vielen bedeutenden Schwellenländern ein Wahljahr.

Aktien aus Industrieländern bevorzugen
Alles in allem stehen die Schwellenländer besser da als 1997/1998 (Asien- und Russlandkreise) oder 2001/2002 (Zahlungsausfall Argentinien, Brasilien geriet ins Wanken). Zu den Pluspunkten gehören flexible Wechselkurse, höhere Devisenreserven und bessere Verschuldungskennzahlen. Allerdings haben viele Länder jüngst eine gewisse Selbstgefälligkeit an den Tag gelegt, was sich nun in einer Verschlechterung der Leistungsbilanzen, steigender Inflation und sinkenden Erträgen der Unternehmen rächt. Vor allem aber bleiben strukturelle Reformen aus, die ausländische Direktinvestitionen anziehen und der Infrastruktur zugutekommen könnten. Einzig China und Mexiko bilden hier die Ausnahmen. Dabei wären solche Anstrengungen die Voraussetzung dafür, dass die Länder ihr Wachstumspotenzial ausschöpfen können. Was die Schwellenmärkte betrifft, so bleiben diese trotz niedrigerer Bewertungen anfällig. Wir behalten unsere neutrale Haltung gegenüber den "Emerging Markets" bei und halten sorgfältig Ausschau nach möglichen Impulsgebern.

Wie in unserer vorangegangenen Publikation (Investors' Outlook vom Februar 2014: Spanien und Türkei – zwei Länder, zwei Richtungen) erläutert, haben wir die Marktschwäche genutzt, um unser Aktienengagement selektiv zu erhöhen. Dadurch sind wir in dieser Anlageklasse leicht "übergewichtet". Vor dem Hintergrund der lockeren Geldpolitik, einer niedrigen Inflation, des globalen Wirtschaftsaufschwungs und einer soliden Rentabilität der Unternehmen erscheinen die Aussichten für die Aktienmärkte der Industrieländer recht positiv."

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