Mikio Kumada, CIIA, Global Strategist bei LGT Capital Partners
Die Griechen haben am Sonntag klar dafür gestimmt, ihrer neuen Regierung den Rücken zu stärken. Damit betritt Europa politisch Neuland. Ein griechischer Euroaustritt scheint jetzt wahrscheinlich. Anleger sollten jedoch folgenden wichtigen Punkt nicht aus den Augen verlieren: Abgesehen von temporären Marktturbulenzen würden die wirklich schwerwiegenden Schäden primär Griechenland betreffen - und selbst dies wäre auf lange Sicht nicht zwingend negativ, meint Mikio Kumada, Global Strategist bei LGT Capital Partners. Lesen Sie dazu den aktuellen Marktkommentar.
08.07.2015, 10:57 Uhr
Redaktion: dab
Die Ereignisse haben seit dem griechischen Referendum wieder eine Wendung genommen. Yanis Varoufakis, der streitbare griechische Finanzminister, ist trotz des Wahltriumpfes seiner Fraktion sofort zurückgetreten, ebenso wie Adonis Samaras, der Chef der grössten Oppositionspartei. Die Regierung hat sich anschliessend in Krisengesprächen mit den drei proeuropäischen Oppositionsparteien auf eine gemeinsame Erklärung über die nationalen Prioritäten geeinigt - darunter der Verbleib im Euro und die Umsetzung "glaubwürdiger" Reformen. So könnte das Referendum letztlich geholfen haben, die eigene Innenpolitik wachzurütteln und damit die Voraussetzungen für eine rasche Annahme und Umsetzung eines neuen Rettungs- und Reformprogramms zu schaffen.
Europas "Grexit"-Befürworter als Gewinner des Referendums In Europa stehen die Chancen jetzt besser denn je, dass sich die Befürworter des "Grexit", d.h. des Euroaustritts Griechenlands, tatsächlich demnächst durchsetzen. Sie haben auch in Griechenland an Boden gewonnen, auch wenn sie noch klar in der Minderheit sind. Interessant ist dabei, wie die unterschiedlichsten "Grexit"-Befürworter am Ende weitgehend konvergieren: In Gläubigerländern wird der "Grexit" oft als "Strafe" für schlechtes Benehmen und als "Abschreckung" für andere "Sünder" gesehen, in Griechenland (und anderswo) hingegen eher lediglich als effizientes Mittel, den "unnachgiebigen" Gläubigern den Schuldenschnitt aufzuzwingen und den Neubeginn zu wagen. Mit oder ohne "Grexit": Letztlich geht es immer um den politisch und sozial am ehesten gangbaren Weg zur Schuldenentlastung und der Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit.
So könnte das Referendum vielleicht auch dazu beigetragen haben, dass es auch in Europa dämmert, dass die Schuldenfrage nicht viel weiter aufgeschoben werden kann. So könnte das Referendum trotz allem den Prozess zu einer halbwegs ordentlichen Problemlösung beschleunigt haben - sei es in Form des "Grexit" oder eines neuen längerfristigen Rettungsprogramm. Natürlich handelt es sich hierbei nur um Spekulationen. Das derzeit besonders angespannte politische Umfeld in Europa trübt die Sicht nur zusätzlich. Mit Ausnahme der chinesischen Aktienmärkte (die derzeit mit eigenen, hausgemachten Problemen kämpfen) sind allerdings auch die Reaktionen an den internationalen Finanzmärkten in diesen letzten Tagen vergleichsweise ruhig ausgefallen. Eine gewisse berechnende Distanz zum typischen politischen Lärm, der einem in solchen Situationen aus allen Richtung entgegenbläst, dürfte auch hier nicht schaden.
Europa kann Grexit Szenario widerstehen Womit wir beim Fazit aus Investorensicht angekommen wären. Ein vollständiger Bankrott und/oder "Grexit" würde sowohl der Europäischen Union im Allgemeinen und dem Euroraum im Besonderen kurzfristig sicher wirtschaftliche Kosten aufbürden und auf längere Sicht wohl auch einige politische Risiken mit sich bringen - unüberwindbar katastrophal und irreparabel wären die Schäden jedoch nicht. Kurzfristig könnte sich der politische Schock sogar als Segen für die Konjunktur erweisen - wenn die Europäischen Zentralbank ihr bereits massives quantitatives Lockerungsprogramm weiter ausweiten und die ohnehin bereits abklingende Austerität in Ländern wie Spanien zusätzlich gelockert (oder sogar rückgängig gemacht) werden würde - und sei es nur darum, um einer ähnlichen politischen Radikalisierung wie in Griechenland zuvorzukommen.
Wie die Dinge jedenfalls derzeit stehen, halten wir an unserer taktischen Asset Allokation unverändert fest - das heisst u.a. auch, dass wir bei Aktien in Japan, Europa und USA weiterhin übergewichtet bleiben.
US-Gewinnerwartungen bleiben realistisch Auch wenn Nachrichten zu Griechenland die Finanzmärkte in den kommenden Tagen auch weiterhin beherrschen dürften, sollten wir nicht vergessen, dass heute Abend die Berichtssaison für das zweite Quartal 2015 beginnt. Wir bieten daher hier einen Überblick über die aktuellen Ertragserwartungen in den USA sowie auf globaler Ebene. Die erste Tabelle zeigt die Konsensprognosen (Stand 26. Juni) für den Gewinn je Aktie (EPS) im S&P 500 in den kommenden Quartalen und Jahren. Für das Q2/2015 wird wegen des Einbruchs im Energiesektor auf Gesamtindexebene fast gar kein Wachstum erwartet. Allerdings neigte in den vergangenen Quartalen der Analystenkonsens dazu, den negativen Effekt des Energiesektors zu überschätzen und die positiven Auswirkungen der Ölbaisse auf die anderen Sektoren zu unterschätzen. Wahrscheinlich ist, dass die US-Unternehmen diese Erwartungen zumindest in bescheidenem Ausmass wieder übertreffen können. Bis 2016 und 2017 soll sich das US EPS-Wachstum allmählich wieder auf rund 12% pro Jahr ansteigen - im Einklang mit dem erwarteten Gewinnwachstum in den meisten anderen wichtigen Märkten.
Gewinnrevisionen begünstigen Eurozone, USA und Japan Die nächsten Grafiken zeigen die Veränderung der erwarteten Gewinnwachstumsraten seit dem 22. April (Spätphase der letzten Berichtssaison) sowie die aktuellen Erwartungstand (basierend auf MSCI-Indizes, weswegen sich die US-Daten von den o.a. S&P 500-basierten Zahlen abweichen). Die Wachstumserwartungen für die nächsten 12 Monate haben sich für die Eurozone, USA und Japan aufgehellt. Die Erwartungen für das Kalenderjahr 2016 sind allerdings mit Ausnahme Japans überall im Gegenzug gesunken. Die Konsenserwartungen bleiben damit auf dem Boden der Realität. Betreffend der Emerging Markets erscheint hingegen weiterhin etwas Vorsicht gerechtfertigt zu sein - die Revisionsschwankungen wirken extrem und unberechenbar. So ist die Wachstumsrate für die nächsten 12 Monate für brasilianische Unternehmen von -13% im April auf etwa 88% angestiegen. Für das Kalenderjahr 2016 gehen sie gleichzeitig vergleichsweise nur moderat zurück. Obwohl das globale Makroumfeld derzeit gutartig ist und bleibt, wirken die Konsenserwartungen für die Schwellenländer insgesamt doch noch etwas zu rosig - besonders angesichts der tatsächlichen EPS-Leistungen der letzten Jahre. Eine Ausnahme ist China - nur leider wurde diese "vernünftige" Analystenhaltung längst von einer fundamental nicht begründbaren Aktienrallye ausgeglichen.
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