Die Schweiz wird mit einer Rezession und Deflation konfrontiert
Janwillem Acket, Chefökonom von Julius Bär
Das nächste Jahr steht im Zeichen systemischer Risiken und zyklischen Abschwungs. Die gegenwärtige Konjunkturabschwächung wird in der Schweiz im ersten Halbjahr 2012 zu einer Rezession führen. Der zyklische Ausblick macht daher Investoren wenig Mut, sich in risikoreichen Anlagen zu engagieren. Die Analysten von Julius Bär erwarten, dass Anleger auch im kommenden Jahr sichere Häfen bevorzugen werden: Anleihen guter Schuldner, Gold als Papiergeldersatz und Unternehmensanleihen als riskantere Beimischung.
17.11.2011, 18:31 Uhr
Redaktion: kab
Im kommenden Jahr wird die Schweiz infolge des weltweiten Konjunkturabschwungs und des nach wie vor überbewerteten Schweizerfrankens mit einer Rezession und rückläufigen Preisen, d.h. Deflation, konfrontiert. Den Einbruch der Wachstumsdynamik in den Eurostaaten, dem wichtigsten Exportmarkt der Schweiz, kann die Nachfrage aus Schwellenländern, die zunehmend an Stärke verliert, nur wenig kompensieren.
Trotz des erfolgreichen Eingreifens der SNB bleibt der Franken weit entfernt vom fairen Niveau um 1.35 zum Euro und somit für Schweizer Produzenten zusätzlich zur schwächeren Konjunktur eine grosse Belastung. Verunsicherte Konsumenten und zurückhaltende Investoren werden zudem auch die Inlandnachfrage abschwächen und so zu einem rückläufigen Preisniveau beitragen. Das Bruttoinlandprodukt der Schweiz wird 2012 lediglich bescheidene 0.1% zulegen und klar von einem schrumpfenden ersten Semester geprägt sein. Die durchschnittliche Jahresteuerung wird bei -0.3% zu liegen kommen, sagt Janwillem Acket, Chefökonom von Julius Bär.
Europa kommt auch 2012 nicht zur Ruhe Die Experten von Julius Bär glauben nicht, dass 2012 ein Ende der europäischen Staatsschuldenkrise bringen wird. Die Bereitschaft, auch unangenehme Wahrheiten wie Schuldenschnitt oder Hinterfragung des Verbleibs der peripheren Länder in der Eurozone zu thematisieren, ermutigt. Allerdings ändern gerade diese neuen Rahmenbedingungen viele Spielregeln, auf die sich Investoren und Finanzmarktteilnehmer bisher verlassen konnten. Den konjunkturell wie strukturell durch ein Nord-Süd-Gefälle immer mehr auseinander driftenden Euroländern haftet neuerdings das Stigma an, ihre Staatsschulden nicht vollständig bedienen zu können. Wie die Schuldenproblematik der Entwicklungsländer in den 1980er und 1990er Jahren gezeigt hat, wird es für die Euroländer ein schwieriger und langwieriger Prozess, sich von diesem Makel zu befreien, der nur durch gemeinsames und konsequentes Handeln erfolgreich sein kann, so Janwillem Acket.
Insgesamt bleibt die Konjunkturentwicklung in Europa wie schon in der kurzen Erholungsphase 2010 / 2011 extrem heterogen. Spanien, Italien und kleinere Staaten, die nun in einer neuen Welt mit strikter fiskalpolitischer Konsolidierungspolitik zurechtkommen müssen, dürften erneut in eine Rezession abgleiten. Dennoch sollte die Eurozone trotz Konjunkturabschwächung in der ersten Jahreshälfte lediglich in eine Phase der Stagnation geraten und so einer weiteren Rezession knapp entkommen.
Machtlosigkeit der Fiskalpolitik Für 2012 erwarten die Bär-Analysten einen Wachstumsrückgang der Weltwirtschaft auf 3.4%. Während die bisher teilweise zu stark expandierenden Entwicklungsländer, allen voran China, Indien und Brasilien, eine Überhitzung ihrer Wirtschaft verhindern können, kämpfen die Industrieländer weiterhin mit strukturellen Wachstumsproblemen. Aufgrund der erhöhten Wachstumsvolatilität sind der Fiskalpolitik in vielen Ländern die Hände gebunden. Die von Überschuldung betroffenen Regierungen in den entwickelten Volkswirtschaften sind auch immer weniger in der Lage, antizyklisch die Wachstumsschwäche aufzufangen oder zu glätten und müssen das Feld den bereits extrem expansiven Zentralbanken überlassen, deren monetäre Impulse infolge restriktiver Banken und verunsicherter Investoren auch kaum mehr zusätzliche Wachstumseffekte auslösen können.
Systemische Risiken und zyklischer Abschwung Die systemischen Risiken in der Eurozone und die dysfunktionale politische Situation in den USA dürften die Finanzmärkte weiter in Atem halten. Auch die zyklischen Indikatoren machen wenig Mut, sich im ersten Halbjahr 2012 in risikoreichen Anlagen zu engagieren. Eine konjunkturelle Abkühlung sorgte historisch an den Börsen meist für wiederkehrende Verkaufswellen mit kurzen und scharfen Gegenbewegungen. Sichere Häfen werden in der globalen Anlegergemeinde bis weit ins erste Halbjahr 2012 hinein gefragt bleiben, so Christian Gattiker, Chefstratege und Head Research von Julius Bär. Als handfestes Gegenargument in Sachen Risikofreude lässt sich derzeit einzig die stark gedrückte Anlegerstimmung anführen, die historisch eher ein konstruktives Indiz zugunsten von risikobehafteten Anlagen war, wenn auch nur für die folgenden Wochen und nicht Quartale.
Anlagenotstand spricht für Risikoanlagen Die Finanzmärkte dürften demnach weiter sprunghaft bleiben. Dennoch kommen die Investoren auf Grund des Anlagenotstands nicht um risikoreiche Anlagen herum. Die Anlagestrategen von Julius Bär empfehlen im Sinne eines kalkulierbaren Risikos insbesondere Unternehmensanleihen, um von der Bilanzstärke der Unternehmen ausserhalb des Finanzsektors zu profitieren. Auch im Aktiensegment legen sie den Schwerpunkt auf Unternehmen mit solider Bilanz, mit zusätzlichem Fokus auf nachhaltige Dividendenzahlungen.
Risikofreudigere Investoren sollten sich in chinesischen A-Aktien engagieren, da diese als Nutzniesser einer lokalen geldpolitischen Lockerung gelten. Ebenfalls Oberwasser haben laut der technischen Analyse der Bank Julius Bär Gold- und Biotechaktien. Bezüglich Direktanlagen in Rohstoffe dagegen raten die Bär-Spezialisten vorerst vor grösseren Engagements ab.
Zyklische Metalle könnten später im Jahr profitieren, wenn sich die monetäre Entspannung in China auf die fundamentale Nachfrage durchzuschlagen beginnt. Währungsseitig dominiert die Absicherung von Papiergeld durch die Schattenwährung Gold. Insgesamt also bleibt der Werterhalt oberstes Gebot in der Anlagepolitik: Der Versuchung zu widerstehen, den Helden zu spielen, erachten wir als eine der zentralen Tugenden in der Vermögensverwaltung über die nächsten zwölf Monate, meint Christian Gattiker.
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