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Corona-Krise: Ein Bruch in unserem Verhältnis zu Zeit und Raum

Raum und Zeit: Eine Spiralgalaxie, viele Lichtjahre von der Erde entfernt. (Bild: Shutterstock.com/NASA Images)
Raum und Zeit: Eine Spiralgalaxie, viele Lichtjahre von der Erde entfernt. (Bild: Shutterstock.com/NASA Images)

Welche Lehren können aus der Corona-Krise für Wirtschaft und Investitionen gezogen werden? Laut Nicolas Pelletier von Reyl scheinen sich vor allem zwei Tendenzen abzuzeichnen: die Ökonomie von Hygiene und Gesundheit für alle und ein Bruch im Verhältnis der Menschen zu Zeit und Raum.

21.05.2020, 10:00 Uhr

Redaktion: rem

Jenseits der Gesundheitskrise, dem menschlichen Drama, dem Mut der Ärzteschaft sowie den massiven Massnahmen der Regierungen und Zentralbanken zur Vermeidung einer Kette von Konkursen offenbart diese Pandemie mehrere grundlegende Trends. Nicolas Pelletier, Investment Manager bei Reyl & Cie, sucht in seinem Marktbericht nach Antworten auf drängende Fragen: "Welche tiefgreifenden Veränderungen wird diese Krise mit sich bringen? Wird, wie die Einen glauben, das gegenwärtige Wirtschaftssystem völlig in Frage gestellt oder folgt eine Rückkehr zum 'business as usual'?" Aus der heutigen beispiellosen Situation lassen sich aus der Sicht Pelletiers eine Reihe von Lehren ziehen. Vor allem zwei Tendenzen scheinen sich demnach abzuzeichnen: "Die Ökonomie von Hygiene und Gesundheit für alle und ein Bruch in unseren Lebensgewohnheiten, insbesondere in unserem Verhältnis zu Zeit und Raum."

Investitionen in die Gesundheits- und Hygienewirtschaft

Diese Krise erinnere uns daran, dass Hygiene ein wichtiges wirtschaftliches, soziales, kulturelles und politisches Thema sei. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben mehr als 45% der Weltbevölkerung keinen Zugang zu wirksamen Hygieneangeboten und mehr als 40% haben keine Möglichkeit, sich zu Hause die Hände zu waschen. Mehr als zwei Milliarden Menschen haben keine sanitären Einrichtungen. Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung bezieht ihre Nahrungsmittel auf unhygienischen Grossmärkten. Mindestens 10% der Weltbevölkerung isst Nahrungsmittel, die mit Abwasser bewässert werden. In vielen Ländern ist Ausgangssperre eine Massnahme, die unmöglich angewendet werden kann, vor allem in einigen überfüllten und allzu oft ungesunden Stadtvierteln.

Es wäre daher besonders wichtig und relevant, in die langfristige Wirtschaftlichkeit von Hygiene und Gesundheit zu investieren. Eine WHO-Studie von 2012 zeigte, dass jeder in Hygiene investierte Euro eine Rendite von 5 Euro bringt, indem vorzeitige Todesfälle und Gesundheitsausgaben reduziert und die Produktivität erhöht werden. Ein so einfaches Hygienekonzept wie das Händewaschen wird den Kindern nicht immer von den Eltern beigebracht, sondern oft erst in der Schule gelehrt. Eine UNICEF-Studie von 2017 in China weist darauf hin, dass die Verteilung von Seife in Grundschulen gewisse Krankheiten und auch die Abwesenheit von Schülern reduzieren würde.

"Der Ursprung dieser Krise macht auch deutlich, dass die globale Erwärmung, der Rückgang der biologischen Vielfalt und die massive Entwaldung die Ökosysteme destabilisieren und in den kommenden Jahren zu einer Vermehrung tropischer Pandemien führen werden, weshalb die globalen Hygienemassnahmen massiv und nachhaltig verstärkt werden müssen", sagt Pelletier.

Investitionen in diese Sektoren könnten über börsenkotierte Unternehmen getätigt werden. Dazu gehören laut dem Investment Manager mehrere pharmazeutische Laboratorien, die auf der Suche nach einem Impfstoff gegen Covid-19 sind, Hersteller von medizinischen Geräten und Tests. Dann auch Unternehmen, die auf Hygieneprodukte spezialisiert sind oder die für das Recycling dieser Produkte sorgen – die noch zu oft Einwegverpackungen aus Kunststoff verwenden – oder Infrastrukturbereiche wie Abwassermanagementnetze. "Es ist zu hoffen, dass bestimmte Länder, darunter die USA, in denen ein grosser Teil der Bevölkerung schlecht oder nicht versichert ist, sich der Bedeutung von Investitionen in universellere und gerechtere Krankenversicherungssysteme bewusst werden", betont Pelletier.

Bruch in unseren Lebensgewohnheiten

Pelletier stellt eine weitere Frage in den Raum: "Wird sich mit dem Abklingen der Epidemie ein neues Paradigma für die Organisation der Arbeit und unsere Lebensweise herausbilden?" Seiner Meinung nach werden wir in der Lage sein, das Beste aus den neuen Praktiken zu machen, die diese Krise uns auferlegt hat: mehr Zeit mit unserer Familie und in der Natur verbringen, kochen und Zeit am Tisch verbringen, die am besten geeignete Art zu Reisen wählen. Die Entdeckung der Vorzüge der Telearbeit werde es unter anderem ermöglichen, die Reisen in überlasteten öffentlichen Verkehrsmitteln zu reduzieren und damit den Verbrauch umweltschädlicher Kraftstoffe zu reduzieren. Diese Krise habe es uns auch ermöglicht, die neuen Technologien besser zu nutzen – um sich zu informieren, zu unterrichten und zu lernen, für die Diagnose und die Behandlung und um sich zu bilden. "Wenn es jetzt erforderlich ist, Abstand zu halten, erlaubt uns die digitale Technologie, Verbindungen aufzunehmen. Die Pandemie wird viele Hindernisse beseitigen und die digitale Transformation der Wirtschaft beschleunigen", meint Pelletier.

In das Umfeld dieser neuen strukturellen Trends gehören etwa Softwareunternehmen, die Telearbeit erleichtern, Unternehmen der Fernmedizin und des Fernunterrichts sowie Anbieter im Zusammenhang mit Infrastruktur und Software für die Cloud. Tatsächlich dauerte es nicht lange, bis die Akteure an der Wall Street Unternehmen bevorzugten, die Anhänger des neuen Mottos "stay at home" sind. Es gebe mehrere Unternehmen, die direkt von dieser Krise profitieren, so etwa Netflix, Zoom, Slack, Activision Blizzard, New York Times, Spotify, Sonos, Citrix, Amazon, Blue Apron, Alibaba oder Campbell Soup. "Viele von ihnen werden auch ihre Versorgung besser sichern müssen, indem sie einen Teil ihrer Produktion verlagern und ihre Lieferkette überdenken. Schliesslich könnten die im traditionellen Einzelhandel verloren gegangenen Arbeitsplätze dauerhaft wegfallen, wenn die Epidemie die Verlagerung auf den Online-Vertrieb beschleunigt", sagt der Investment Manager.

Corona-Krise beschleunigt den Wandel

Letztlich zeige diese Krise viele strukturelle Probleme in unseren Volkswirtschaften auf. Sie werde eine Beschleunigung des Wandels ermöglichen. "Das sind Veränderungen, über die wir jetzt nachdenken und in die wir langfristig investieren können", betont Pelletier und fügt an: "Diese Krise könnte uns auch dazu veranlassen, eines der wenigen Dinge auf der Welt ernst zu nehmen, das wirklich selten ist, das wirklich einen Wert hat: Zeit. Die Zeit unseres täglichen Lebens, die wir nicht länger durch sinnlose oder nutzlose Aktivitäten verlieren sollten. Schliesslich der Gewinn für unsere Zivilisation, die durch die Förderung eines grösseren Wohlwollens, der Solidarität mit den schwächsten Bevölkerungsgruppen, der Zusammenarbeit zwischen den Ländern und eines grösseren Respekts vor unserer Umwelt im weitesten Sinne bewahrt werden kann."

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