Brasilien: Märkte setzen auf Bolsonaro-Reformen

Am Sonntag stehen sich der rechtspopulistische Politiker Jair Bolsonaro und Fernando Haddad von der Arbeiterpartei in der zweiten Wahlrunde um die brasilianische Präsidentschaft gegenüber. Die Emerging-Markets-Experten von Neuberger Berman und MainFirst erklären, warum ein Wahlsieg Bolsonaros ein Comeback der Schwellenländer auslösen könnte.

25.10.2018, 12:00 Uhr

Redaktion: rem

Am Sonntag stehen sich Jair Bolsonaro von der Sozial-Liberalen Partei PSL und Fernando Haddad von der Arbeiterpartei in der Stichwahl um die brasilianische Präsidentschaft gegenüber. In der ersten Runde vor zwei Wochen hatte Bolsonaro die absolute Mehrheit knapp verpasst. Den Umfragen zufolge ist er am Sonntag klarer Favorit.

Laut den beiden Emerging-Markets-Experten von Neuberger Berman, Gorky Urquieta und Conrad Saldanha, ist Bolsonaro auch der Favorit der Finanzmärkte, zumal die Mitte-Rechts-Kandidaten ausgeschieden seien. Seit der ersten Wahlrunde hätten brasilianische Titel andere Emerging-Market-Papiere sehr klar hinter sich gelassen, stellen sie fest.

Positive Indikatoren für Konjunkturaufschwung

Ein Sieg Bolsonaros dürfte brasilianischen Sach- und Vermögenswerten Aufschwung verleihen, meint Thomas Rutz, Fondsmanager des MainFirst Emerging Markets Corporate Bond Fund Balanced. Er rechnet für dieses Szenario konkret mit einer Erholung des brasilianischen Reals und der Verengung der Credit Spreads brasilianischer Staatsanleihen. "Wir sehen positive Indikatoren, die für einen nachhaltigen Konjunkturaufschwung in Brasilien sprechen", so Rutz.

Ein erster Aufschwung an den Märkten habe sich bereits kurz vor den Wahlen abgezeichnet und weiter bestätigt, nachdem Bolsonaro beim ersten Wahlgang Anfang Oktober nur knapp die Mehrheit verpasste und sich seine PSL zur zweitgrössten Partei im Parlament entwickelt habe. Der brasilianische Real (BRL) hat sich gegenüber dem US-Dollar (USD) von September bis Mitte Oktober deutlich erholt. Gleichzeitig ist Brasiliens Credit Spread (JP Morgan CEMBI Z-Spread to Worst) um rund 70 Basispunkte von 430 auf 360 gesunken. Rutz geht davon aus, dass die Kursspanne zwischen USD und BRL bis zum Jahresende ähnlich eng bleiben wird. Auch die brasilianischen Vermögenswerte hätten sich seit dem ersten Wahlgang schnell wieder erholt. "Wir dürften weitere Preisanpassungen erleben, da viele Shorts inzwischen ausgeglichen sind und Geldflüsse zurückkehren könnten", fügt Rutz hinzu.

Ist Bolsonaro wirklich ein Wirtschaftsreformer?
Käme es zu dem unwahrscheinlichen Fall eines Überraschungssiegs von Haddad, könnten Investoren ihre Meinung indes durchaus ändern, auch wenn eine Haddad-Regierung vermutlich pragmatischer vorgehen würde als die letzten Regierungen unter Führung der Arbeiterpartei, halten die beiden Experten von Neuberger Berman fest und stellen die Frage in den Raum:. "Aber ist Bolsonaro wirklich der Wirtschaftsreformer, den die Märkte in ihm sehen?"

So nebulös sich der Rechtspopulist im Wahlkampf zu Wirtschaftsfragen geäussert und so oft er in der Vergangenheit gegen Wirtschaftsreformen gestimmt habe, so wenig populistisch seien seine jüngsten Äusserungen gewesen. Auf jeden Fall spricht sich sein Chefwirtschaftsberater Paulo Guedes, Absolvent der Universität Chicago und möglicher Finanzminister – falls Bolsonaro das Rennen macht – für radikale Reformen mit Privatisierungen und Ausgabenkürzungen aus.

Es braucht klare Fortschritte bei der Rentenreform
Wie Urquieta und Saldanha weiter ausführen, mag Bolsonaro mit seinem polternden Politikstil US-Präsident Donald Trump ähneln; aber er gleiche Trump auch insofern, als er eine Wirtschaft übernehmen würde, die sich zwar erholt, aber mit strukturell hohen Staatsschulden und einem hohen Haushaltsdefizit zu kämpfen habe. Ein wichtiges Ziel wird daher ein primärer Haushaltsüberschuss sein, so die beiden Experten.

Subventionskürzungen und Privatisierungen allein reichten dazu vermutlich nicht, denn Renten und Sozialleistungen verschlingen fast die Hälfte des Staatshaushalts; in den letzten 20 Jahren machten sie rund 79 Prozent des Anstiegs der Bundesausgaben aus (in Prozent des BIP). Es brauche also auch klare Fortschritte bei der Rentenreform, um die Ausgaben so weit zu begrenzen, wie es die unter Präsident Michel Temer vor zwei Jahren verabschiedete Verfassungsänderung verlangt. Grundsätzlich erwartet man bei Neuberger Berman von einer Bolsonaro-Präsidentschaft eine deutlich härtere Haltung bei sozialen Themen, aber keine deutliche Schwächung der Rechtsstaatlichkeit.

Konjunkturerholung Brasiliens würde der Region stark nutzen

"Ein Sieg Bolsonaros am nächsten Wochenende dürfte die Anleger wieder optimistischer für Lateinamerika stimmen", erwarten Urquieta und Saldanha. Eine Konjunkturerholung würde auch anderen Ländern der Region stark nutzen, insbesondere Argentinien und Uruguay – und die Aussichten auf Wirtschaftsreformen in Brasilien würden den Emerging Markets insgesamt gut tun.

Fondsmanager Thomas Rutz sieht mit einer Präsidentschaft Bolsonaros weiteres Potenzial im Konjunkturzyklus: "Die brasilianische Wirtschaft hat in den letzten Jahren stark korrigiert, die Inflation ist niedrig, die Währung billig, die externen Bilanzen gesund. Brasilien ist daher reif für einen langen und nachhaltigen Aufschwung. Das Wirtschaftswachstum Brasiliens werde sich im dritten Quartal voraussichtlich auf 1,8 Prozent im Jahresvergleich und rund 1 Prozent im Quartalsvergleich beschleunigen. Die aktuelle Prognose für 2018 gehe von einem Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von rund 1,5 Prozent aus. Noch positiver sei die Prognose für 2019, die über 3 Prozent Wachstum in Aussicht stelle.

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