"In südlichen Regionen herrscht eher eine Konsumgütermentalität"
Ali Masarwah, Chefredaktor von Morningstar Deutschland, Österreich und Schweiz.
Ali Masarwah spricht im Interview mit Fondstrends über die neue Fondsstudie der Ratingagentur Morningstar und erklärt unter anderem die Unterschiede der Fondsmärkte in Nord- und Südeuropa.
20.09.2017, 09:50 Uhr
Redaktion: ras
Herr Masarwah, eine neue Fondsstudie von Morningstar zeigt, dass Europas Fondsindustrie ein erfreuliches Neugeschäft mit soliden Margen aufweist. Der weitaus grösste Teil der frisch lancierten Fonds entfällt auf aktiv gemanagte hochmargige Produkte wie Mischfonds, alternative Produkte sowie Aktienfonds. Handelt es sich beim Fondsmarkt nach wie vor um einen Anbietermarkt?
Ali Masarwah: Das muss man leider im Allgemeinen bejahen. Fonds werden oft verkauft und nicht gekauft die Vertriebssteuerung der Bank oder des Finanzdienstleisters entscheidet über das, was dem Kunden angeboten wird. Aber natürlich ist das Bild im Einzelnen differenzierter, es gibt grosse Unterschiede zwischen den lokalen europäischen Märkten. In gewisser Hinsicht besteht ein Nord-Süd-Gefälle. Im Norden hat das Fondsgeschäft einen eher institutionellen Charakter und steht oft mit Pensionsplänen in Verbindung. Die Kosten sind entsprechend tiefer. In südlichen Regionen herrscht eher eine, nennen wir es: Konsumgütermentalität. Gerade in Italien kann man teilweise von einer Verkaufsmaschinerie sprechen, welche mit teuren, kurzlaufenden Produkten operiert. Damit nicht genug: Manchmal werden viele Kunden sogar aus solchen Produkten vor Ende der Laufzeit "rausgedreht", und dann werden Rückgabegebühren fällig.
Angesichts des aktuellen Zinsumfelds erstaunt, dass aktiv verwaltete Obligationenfonds mit einem Volumen von fast 35 Mrd. Euro auf den Markt gebracht werden konnten. Neue passiv verwaltete Fonds, welche nur die Hälfte kosten, kamen nur auf ein Volumen von gut 1 Mrd. Euro. Wie erklären Sie das?
Indexprodukte sind von der Genese Aktienprodukte. Es ist viel einfacher, einen Aktien-Index als einen Obligationen-Index zu replizieren. Anleihen sind komplex. Sie weisen unterschiedliche Laufzeiten und Konditionen auf. Hinzu kommt, dass viele Investoren sich davor scheuen, Bond-Indizes 1:1 abzubilden, weil ihnen die Duration vieler Benchmarks zu lang ist. Das bedeutet, dass bei einem Zinsanstieg hier höhere Verluste drohen als bei vielen Anlagefonds, die eher Short Duration sind im Vergleich zur Benchmark. Aber auch diese Konstellation ändert sich: Immer mehr Bond-Indizes werden mit ETFs unterlegt, die Replikationsmethoden werden immer ausgefeilter. Und, last but not least: Angesichts der Zinssituation werden passive Produkte mit tiefen Gebühren attraktiver für viele Anleger.
Bei den Aktienfonds sieht es umgekehrt aus: Neue aktive Produkte kamen im ersten Halbjahr auf ein Volumen von 15,8 Mrd. Euro, passive auf 21,9 Mrd. Euro. Spielen hier die Kosten eine grössere Rolle?
Absolut. Die Sichtweise, wonach Core Aktienkategorien besser passiv abgebildet werden sollten, setzt sich immer durch. Ich bin auch erstaunt, dass immer mehr auch die Satelliten, also die Beimischungen, passiviert werden. Bei Nebenwerten oder Emerging Markets wachsen ETFs und nicht-börsenkotierte Index-Fonds auch überdurchschnittlich, obwohl in diesen Segmenten aktive Manager Vorteile besitzen. Aber die Inflation an aktiven Produkten bringt offenbar immer mehr Anleger zur Erkenntnis, dass sich das Fonds-Research nicht lohnt, nach dem Motto: Das gleicht der Suche nach der Nadel im Heuhaufen.
In der Studie wird festgestellt, dass Indexfonds dort an Bedeutung gewinnen, wo der Trend gegen Retrozessionen spricht. So wurden im ersten Halbjahr 2017 die höchsten neu lancierten passiven Fondsvermögen in Grossbritannien sowie der Schweiz platziert. Geht dieser Trend weiter?
Ja, wobei Retrozessionen in der Schweiz nicht per se verboten sind, sondern unter bestimmten Bedingungen durchaus erlaubt sind. Dennoch findet ein Umdenken bei den Banken zugunsten der Kunden statt.
Zusammen mit den aktiven Produkten sammelten die neuen Fonds in der Schweiz gemäss Ihren Angaben im ersten Halbjahr 2017 Vermögen von gut 4 Mrd. Euro. Handelt es sich dabei um Fonds nach Schweizer Recht?
Gut 40 Prozent der Assets in den neuen Fonds, die in der Schweiz vertrieben werden sind auch in der Schweiz domiziliert. Der Rest stammt aus Irland, Luxemburg und Liechtenstein.
Dass die Offshorezentren sowie Grossbritannien die höchsten Fondsvermögen einsammelten ist einleuchtend. Dass aber Italien, Frankreich und Dänemark vor der Schweiz figurieren und Deutschland weit abgeschlagen ist, erstaunt. Was steckt dahinter?
Das liegt zum Teil daran, dass es sich hier um lokal geprägte Märkte handelt, in denen die heimische Produktion auch am Heimatmarkt "konsumiert" wird. Demgegenüber ist der Fondsstandort Deutschland schon frühzeitig internationalisiert worden, einmal weil Produzenten in den Offshore-Zentren bessere rechtliche und operative Rahmenbedingungen vorgefunden haben und zum zweiten diese Offshore-Zentren, vor allem Luxemburg, auch als Plattform für den globalen und europäischen Vertrieb fungieren. Die Tatsache, dass Länder wie die Schweiz und Deutschland als heimische Produktionsstandorte weniger relevant geworden sind, sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass deutsche und Schweizer Asset Manager im Offshore-Bereich sehr aktiv sind. Und deren Produkte werden natürlich auch in den Heimmärkten vertrieben nur finden sich diese Produkte in den Vertriebsregionen "global cross border" und "European cross border".
Das demonstrieren die Schweizer Banken Credit Suisse, UBS und Lombard Odier, welche unter den Top 20-Anbietern figurieren. Sie platzierten Vermögen von zusammen 8,7 Mrd. Euro, also mehr als doppelt so viel, wie vorhin für die Schweiz genannt.
Genau, Schweizer Banken haben eine grosse ausländische Kundschaft. Bei Fonds nach Schweizer Recht gibt im Vertrieb im Ausland Hürden, die es ratsamer erscheinen lassen, Fonds in den Luxemburger oder Dubliner Hubs der Schweizer Asset Manager produzieren zu lassen.
Wie beurteilen Sie die Stellung des Fondsstandorts Schweiz?
Das Schweizer Fondsgeschäft ist sehr institutionalisiert und professionell. Dies gilt auch im Wealth Management, welches in der Schweiz eine hohe Bedeutung hat. Hier stehen vemehrt nicht der Produktverkauf, sondern Portfoliolösungen im Vordergrund, die sich viel stärker als in der Vergangenheit an der Risikotragfähigkeit der Kunden und ihrer Renditeziele orientieren.
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